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MINT: Kindheit und Berufswahl
„Kampagnen müssten eigentlich im Kindergartenalter starten“

Kampagnen, die junge Menschen von Karrieren in MINT-Jobs überzeugen möchten, gibt es einige, sie sind aber nicht immer erfolgreich. Daher lohnt ein Blick auf Untersuchungen, die für neue Wege sprechen. Einer könnte sein, schon im Kindesalter für Berührungspunkte mit Technik zu sorgen. Wir unterhielten uns darüber mit Marlis Riepl, sie arbeitet am Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft in Wien.

Frau Riepl, Sie haben zusammen mit Ihrem Kollegen Helmut Dornmayr untersucht, ob bestimmte Tätigkeiten, die Menschen in ihrer Kindheit ausüben, einen Einfluss auf die spätere Berufswahl haben. Ein klares Ergebnis lautete: Ja, haben sie. Was genau fanden Sie heraus?

Unsere Analysen beruhen auf einer Befragung von Lehrlingen, deshalb konnten wir nur die Einflüsse auf die Lehrberufswahl von Lehrlingen und nicht generelle Einflüsse auf die Bildungswahl aller Jugendlichen analysieren. Hier zeigen sich signifikante Einflüsse häufiger Aktivitäten in der frühen Kindheit auf die Lehrberufswahl: Je häufiger als Kind mit Bausteinen gespielt oder bei Reparaturen mitgeholfen wurde, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein technischer Lehrberuf gewählt wird. Diese Analysen geben uns einen Hinweis, dass man, wenn man etwas beeinflussen will, wesentlich früher ansetzen muss, als es die gängigen Kampagnen tun, dass es dann aber funktionieren kann. Um aber nachhaltig etwas verändern zu wollen, müssen gängige Geschlechterstereotype aufgebrochen werden, da sind die Kindheitsaktivitäten nur ein Aspekt von vielen.

Jetzt verhalten sich ja viele Eltern nicht ohne Grund eher neutral und sagen sich: Mein Kind soll selbst seinen oder ihren Weg finden und die Frage ist ja ohnehin, ob ein Technikberuf dem Kind später überhaupt Spaß macht.

Ich glaube, es ist wichtig, den Kindern von Anfang an alle Möglichkeiten zu bieten, sie alles entdecken und kennenlernen zu lassen, weil erst dann können sie ausmachen, was sie interessiert. Wäre man vor 20 Jahren auf die Idee gekommen, einem Buben eine Spielküche zu schenken oder einem Mädchen einen Bausatzkasten? Wohl eher weniger. Damit beeinflusse ich aber schon, weil: Woher soll ein Mädchen wissen, dass es ihr Spaß macht, etwas zu konstruieren oder zu bauen, wenn sie nie mit solchen Tätigkeiten in Berührung kommt?

Elon Musks rechte Hand bei SpaceX, Gwynne Shotwell, hat ihre Laufbahn als Raumfahrt-Managerin so erklärt: Ihre Mutter nahm sie Mitte der Siebziger mit zu einem Treffen der Society of Women Engineers, bei dem die damals 15Jährige von einer selbstbewussten und sehr elegant auftretenden Ingenieurin ganz angetan war und fortan wusste, was sie werden wollte. Hier geht es auch um Emotionen, die Vorbilder auslösen können. Haben solche Vorbilder in der Kindheit vielleicht eine stärkere und bislang unterschätzte Wirkung?

Hm, ich bin der Meinung, dass da immer sehr viel zusammenspielt. Vorbilder haben bestimmt eine nicht zu unterschätzende Wirkung, aber auch das kann nicht isoliert betrachtet werden. Um bei Ihrem Beispiel zu bleiben: Shotwells Mutter war ja offenbar schon technikaffin, das heißt, sie selbst kam sicher schon zuhause mehr mit Technik in Berührung als ein Großteil der Mädchen in den Siebzigern. Wäre sie nur zufällig zu diesem Treffen gekommen, würde ihre berufliche Laufbahn möglicherweise anders aussehen.

Wenn man schon Eltern schlecht zwingen kann, mehr gegen den Fachkräftemangel zu tun – welche ganz konkreten Empfehlungen für staatliche Instanzen leiten Sie aus ihren Ergebnissen ab?

Wie schon erwähnt zeigen unsere Ergebnisse, dass die gängigen Kampagnen zu spät ansetzen. Um effizienter zu wirken, müssten sie eigentlich im Kindergartenalter starten. Es braucht einfach mehr Möglichkeiten zur praktischen Erfahrbarmachung von solchen Berufen sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Umfeld – und am besten schon für die ganz Kleinen.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Riepl!

https://ibw.at

www.bwp-zeitschrift.de/dienst/publikationen/de/download/17522

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