Was können Unternehmen tun, um mehr Azubis für sich zu gewinnen? Wie kommen Ausbildungsbotschafter:innen an den Schulen an? Wir sprachen darüber mit Teresa Schare, sie betreut bei der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg den Bereich Berufsbildung und Fachkräftesicherung.
Frau Schare, Sie bekommen in der Region Bonn/Rhein-Sieg sicher mit, was im Azubimarketing Ihrer Unternehmen klappt und was nicht.
Eine gute Kombination aus verschiedenen Angeboten funktioniert sehr gut: Beispielsweise Schnuppertage, Praktika, aber auch Social Media-Aktivitäten und Unternehmenseinblicke aus erster Hand kommen bei den Jugendlichen gut an. Für letzteres eignet sich übrigens der Einsatz bzw. Besuch von Ausbildungsbotschafter:innen besonders gut. Sie sind selbst noch Azubis und somit nur unwesentlich älter als die Schüler:innen. Dadurch ergibt sich ein hohes Identifikationspotential.
Was passiert bei einem solchen Besuch ganz konkret?
Die Azubis geben einen authentischen und ehrlichen Einblick in den Ausbildungsalltag. Sie berichten über Erfolge, aber auch über Hürden, die sie beispielsweise im Berufsfindungs- und Berufswahlprozess erlebt haben. Der persönliche Einblick ist dabei auschlaggebend. Sie machen den Jugendlichen Mut und räumen mit Vorurteilen auf. Sie verdeutlichen, dass eine duale Ausbildung ein solides Fundament für die weiteren Karriereschritte ist, auch für Abiturienten. Eine Berufsausbildung schließt ein anschließendes Studium ja nicht aus. Im Gegenteil, die Entscheidung für eine gezielte Spezialisierung, egal ob akademisch oder beruflich qualifizierend, wird nach einer abgeschlossenen Ausbildung meist viel fokussierter getroffen. Man muss sich nicht für das eine und gegen das andere entscheiden.
Und bei welchen Projekten würden Sie eher sagen: Vergebene Liebesmüh?
Das werden Sie mich nie sagen hören (lacht). Meiner Meinung nach gibt es keinen Königsweg im Azubimarketing. Berufsorientierung ist sehr individuell. Das Erfolgsrezept ist eine breite Angebotspalette, in der sich junge Menschen nach ihren jeweiligen individuellen Bedürfnissen im Berufsorientierungsprozess wiederfinden und angesprochen fühlen. Und auch der Betrieb muss sich mit seinem Azubimarketingkonzept identifizieren. Ehrlich und authentisch muss es sein. Es bringt nichts, sich zu verbiegen. Das gilt für das Unternehmen genauso wie für die Jugendlichen.
Wie wäre es, wenn auch mal Firmenchefs in Klassen gehen und dort mit leuchtenden Augen von ihrer Firma erzählen?
Das ist sicherlich eine gute Ergänzung im Portfolio und wird tatsächlich auch schon umgesetzt. Im Rahmen von Schulkooperationen beispielsweise lassen sich solche Formate durchführen, neben der Bereitstellung von Praktikumsplätzen oder fachlich relevanten Unterrichtseinheiten durch Unternehmensvertreter. Wichtig ist aber, dass auch beim Besuch des Firmenchefs eine lockere Atmosphäre herrscht, in der die Jugendlichen keine Scheu haben, Fragen zu stellen.
Es gibt immer wieder Stimmen, die eine deutlich stärkere berufliche Orientierung an den Schulen fordern. Wie sehen Sie das? Und wie sieht das die Unternehmerschaft im Kreis Bonn/Rhein-Sieg?
Da hat sich in den letzten Jahren erfreulicherweise einiges getan. Nichtsdestotrotz gibt es sicherlich an der ein oder anderen Stelle noch Optimierungspotential. Den Jugendlichen bieten sich wahnsinnig viele Möglichkeiten mit großartigen Aus- und Weiterbildungsbildungsperspektiven. Ihnen muss aber auch verdeutlicht werden, dass sie in jungen Jahren keine Entscheidung fürs Leben treffen müssen. Eine Grundlage zu schaffen ist der erste Schritt und darauf lässt sich der weitere Karriereweg aufbauen.
Hilfreich ist es zudem, sich mit seinen Stärken und Schwächen auseinanderzusetzten sowie die Angebote von Berufsfelderkundungstagen und Praktika ernst zu nehmen und gezielt zu nutzen. Es gibt also zahlreiche Möglichkeiten, um viele Einblicke in die Berufswelt zu erhalten und für sich auszulosten, welcher Beruf einem Spaß machen könnte.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Schare!
Die Ausbildungsbotschafter werden im Rahmen des Projektes Ausbildungsbotschafter und Ausbildungsbotschafterinnen NRW – Unterwegs für „Kein Abschluss ohne Anschluss“ eingesetzt, das mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.