In der Berufsorientierungsphase soll mit der guten Wahl einer Ausbildung oder eines Studienfaches den Grundstein für eine glückliche berufliche Laufbahn gelegt werden. Doch wie findet man das berufliche Glück? Wir fragten nach bei Kirsten Gahlen, sie ist Expertin für Positive Psychologie und trainiert Berufstätige darin, das berufliche Glück aktiv zu beeinflussen.
Frau Gahlen, Glück wird oft als das Ergebnis eines passiven Prozesses beschrieben. Glück „hat man“ oder eben nicht, oder man sagt, dass „zum Glück“ etwas passiert ist. Ihr Ansatz ist ein ganz anderer, Sie coachen Menschen darin, ihr Glück im Job aktiv zu suchen, zu finden und dann auch wahrzunehmen. Um was geht es da im Kern?
Um eines geht es vor allem nicht: Um den Zufall. Im Deutschen unterscheiden wir oft nicht zwischen dem Zufallsglück (Luck) und dem inneren Glück, bzw. einer Zufriedenheit (Happiness). Das Jobglück meint die innere Zufriedenheit im Job und darüber hinaus auch im ganzen Leben. Und vor allem auch den Weg dorthin. Was kann ich also ganz konkret tun, damit ich in meinem Leben und eben auch in meinem Job rundum glücklich, also zufrieden bin? Dabei geht es weniger um das „Suchen“ als vielmehr um das „Gestalten“ meines Job-Glücks. Denn das dürfen wir uns schon selbst basteln – das kann uns niemand abnehmen.
Viele junge Menschen fürchten sich vor der Zukunft, manche macht die Berufswahl ziemlich unglücklich. Einfach schon deshalb, weil sie auch Unsicherheit und Angst vor einer vermeintlichen Fehlentscheidung bedeutet. Welche Hebel muss ich umlegen, damit ich in diesem schwierigen Prozess von Angst auf Vorfreunde und Mut schalten kann?
Ich denke, dass wir uns vor allem vor Dingen fürchten, die sich für uns nicht gut anfühlen. Vor der Berufswahl mache dir also zunächst bewusst, was du liebst: Was würdest du tun, auch wenn du kein Geld dafür bekommen würdest? Was lässt dich morgens aus dem Bett springen? Womit hast du als Kind gern deine Zeit verbracht? All das sind Wege, um herauszufinden, mit welchen Themen ich mich in meinem Leben beschäftigen möchte. Und dabei darf ich im ersten Schritt nicht über einen konkreten Beruf nachdenken. Das schränkt nämlich direkt ein. Ein Beispiel: Wenn ich gerne male, muss ich nicht zwangsläufig eine Künstlerkarriere anstreben. Es kann auch nur der Hinweis sein, dass ich einen kreativen Job brauche. Ob im Web- oder Modedesign, in der Eventbranche, als Koch, Floristin oder sonst – wie, ist dann erst der zweite Schritt. Also: Erst herausfinden, wofür ich brenne und dann schauen, wie ich damit Geld verdienen kann. Die meisten machen es andersherum und das ist der große Fehler. Wenn ich aber meine Passion kenne und ihr folge, werde ich keine Angst, sondern pure Vorfreude spüren. Dann gibt es keine falschen Entscheidungen.
Ob ich Erfolg in Ausbildung, Studium oder Berufsleben habe, hängt ja auch davon ab, wieviel Energie ich habe und wieviel Interesse am Thema. Was kann man tun, um diese Energie durch eigenes Handeln zu steigern?
Dazu fällt mir ein Spruch ein: „Du bist nicht müde, du bist nur uninspiriert!“. Aus meiner Perspektive als Selbstständige, die ihre Berufung lebt, kann ich das voll unterschreiben. Jeder, der leidenschaftlich einer Tätigkeit nachgeht, versteht das. Wir sind nicht Opfer von zu wenig Energie! Energie ist immer verfügbar! Sobald wir für etwas brennen, bekommen wir automatisch Zugang zu dieser Energie. Natürlich gibt es überall hin und wieder mal Durststrecken. Das ist ganz normal. Doch statt auf halber Strecke alles hinzuschmeißen, trägt mich meine Leidenschaft durch schwere Phasen hindurch. Durch sie erkenne ich einen höheren Sinn in meinem Tun, der mich dazu bringt, unbeirrt weiterzugehen.
Mit Ihren Coachings helfen Sie auch Führungskräften, die Probleme im eigenen Team haben. Etwa weil viele im Team unmotiviert und unzufrieden sind, es Streit gibt oder alles einfach nicht richtig rund läuft. Es ist doch schon so für Menschen schwierig, sich selbst auf einen besseren und glücklicheren Weg zu bringen. Ist es dann nicht ungleich schwerer, anderen ein neues Denken zu empfehlen?
Es ist sicherlich vorteilhaft, selbst zufrieden zu sein, wenn ich andere auf ihrem Weg ins Glück begleiten will. Allerdings ist das kein Muss. Ich arbeite mit Techniken aus der positiven Führungspsychologie, die beides gleichzeitig positiv beeinflussen: Glück, Freude und Erfüllung der Führungskraft, sowie die Motivation, Leistung und Zufriedenheit des Teams. Und zwar nicht durch theoretische Empfehlung, sondern durch ausprobieren und erleben. Ich sehe eine Führungskraft als eine Begleitung im Wachstumsprozess der Teammitglieder. Und genauso sehe ich mich selbst, als Coach, als Begleitung und Sparringpartner für Führungskräfte in diesem Prozess. Wer die Bereitschaft hat, sich persönlich weiterzuentwickeln, der hat mit meinen Tools alle Werkzeuge, die es braucht, um sich selbst und sein Team glücklicher zu machen und somit Leistung und Motivation zu steigern.
Danke für das Gespräch, Frau Gahlen.