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Dos and Don’ts in der Ausbildung
„Das Prinzip `Lehrjahre sind keine Herrenjahre‘ ist falsch“

Die INFO GmbH mit Sitz im hessischen Lich berät Unternehmen bei Personalthemen, ein Spezialgebiet ist die Ausbildung. Wie führen und motivieren wir Azubis? Wie gelingt eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Alt und Jung im Betrieb? Und wie gelingt es uns, als attraktiver Ausbildungsbetrieb wahrgenommen zu werden? Darüber sprachen wir mit Senior-Berater Maximilian Rembser.

Herr Rembser, es werden aktuell angesichts des Fachkräftemangels gewaltige Anstrengungen unternommen um herauszufinden, wie die Ausbildung wieder attraktiver gemacht werden könnte. Sie sprechen ja mit vielen Ausbildungsbetrieben, was läuft in der Tendenz seit langem falsch? Was haben Sie beobachtet?

Falsch lief in der Vergangenheit vor allem, dass Ausbildung ein „Nebenthema“ war. Ausbildung lief „halt so nebenher“. Berufseinsteiger konnten froh sein, dass sie ausgebildet werden – und das hat sich auch in der Ausgestaltung der Ausbildung gespiegelt. Heute ist das anders. Der Markt hat sich gedreht, Berufseinsteiger werden immer wichtiger und daher sollte der Ausbildung ein höherer Stellenwert eingeräumt werden. Auch, dass Akademisierung nicht das Maß aller Dinge ist, sollte die Gesellschaft wieder mehr wahrnehmen – gerade Fachpersonal, Handwerk etc. fehlt. Da erzähle ich ja nichts neues.
Aus meiner Sicht ist demnach der größte Fehler, dass Ausbildung keinen hohen Stellenwert hat. Unternehmen sollten Ausbildung mehr in den Fokus stellen, denn aus meiner Sicht ist es ein strategisch wichtiges Thema.

Was heißt das ganz konkret?

Es braucht mehr Personen, die wirklich „Bock“ haben, Ausbildung im Unternehmen auf ein neues Level zu heben. Dazu gehört zum einen die Auswahl der richtigen Ausbilder und Ausbildungsbeauftragten, die Schaffung professioneller Betreuungsstrukturen und die Bereitschaft, Zeit zu investieren und Neues auszuprobieren. Die Wertschätzung gegenüber der Ausbildung sollte von oben vorgelebt werden. Außerdem sind spannende Projekte, viel Kommunikation, Teambuilding, Mitbestimmung und Transparenz in der Ausbildung sehr wichtig – Ausbildung sollte Spaß machen. Es gibt natürlich noch viel mehr, auf das ich hier eingehen könnte, aber das sprengt den Rahmen.

An welchen Punkten fällt es Unternehmen besonders schwer, umzudenken und jahrzehntelange Gepflogenheiten auf den Kopf zu stellen? Wo hakt es immer wieder?

Grundsätzlich erlebe ich, dass sich viele Unternehmen aktuell schon sehr anstrengen, um die Attraktivität von Ausbildung zu steigern. Ein neuralgischer Punkt ist aus meiner Sicht die Einstellung der Älteren, die häufig wenig Verständnis für die Lebenswelt der Jungen haben. Es fängt schon damit an, dass Azubis keine „Stifte“ sind. Falsch ist auch das Prinzip „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“. Dieses Umdenken aufgrund der veränderten Zeit fällt vielen Protagonisten in Unternehmen, gerade im gewerblich-technischen Bereich, schwer und ohne diesen Perspektivwechsel gelingt es nicht, eine wertschätzende Ausbildung auf Augenhöhe zu gewährleisten. Wichtig ist mir auch zu betonen, dass Wertschätzung in der Ausbildung eine große Rolle spielt, also Respekt der älteren gegenüber den jungen Menschen. Natürlich soll das für die Jungen kein Freifahrtschein sein, sondern es muss auch klare Regeln und Grenzen geben – das gehört natürlich ebenso dazu.

Das Interesse an einer Ausbildung könnte steigen, wenn bessere Bedingungen in der Ausbildung zu Werbeeffekten durch Mund-Propaganda führen würde. Sehen Sie das auch so?

Absolut. Mund-Propaganda ist das beste Instrument für Azubimarketing. Unternehmen, die eine gute Ausbildung auf Augenhöhe leben, werden auch in der Zukunft noch ausreichend Fachkräfte entwickeln können. Eine gute Betreuungsqualität erzeugt eine hohe Ausbildungsqualität. Und das wiederum spricht sich rum – zumal die heutige Jugend auch wirklich gut vernetzt ist.

Wie können Schulabgänger:innen erkennen, dass Unternehmen in diesem Bereich einiges gelernt haben und mehr als andere zu bieten haben? Auf was sollten sie ganz besonders achten?

Da gibt es viele Elemente, die ich jetzt anbringen könnte. Ich denke es fängt damit an, ob der Auswahlprozess informativ und transparent gestaltet ist. Unternehmen bewerben sich heute bei Azubis, weniger umgekehrt. Dann sollte darauf geachtet werden, dass die Ausbildung eine klare Struktur hat und Azubis frühzeitig die für ihre Ausbildung verantwortlichen Personen kennenlernen, also zum Beispiel die Ausbilder. Da gilt es jetzt auf das Bauchgefühl zu hören: Fühle ich mich wohl oder habe ich ein Störgefühl? Ebenfalls empfehlenswert ist es, Bewertungsportale zu nutzen und wenn möglich, mit Menschen zu sprechen und nach ihren Erfahrungen zu befragen, die in dem Unternehmen bereits arbeiten. Darf ich an der Stelle noch eine Botschaft an die Schülerinnen und Schüler loswerden?

Ja klar !

So sehr ich dafür bin, dass Unternehmen mittlerweile viel Energie in Ausbildung investieren, so bekomme ich ebenso mit, dass viele Unternehmen sich darüber beklagen, dass Bewerber mit einer immer selbstbewussteren Einstellung in die Auswahlgespräche gehen. Das ist grundsätzlich gut so, allerdings darf es nicht in eine „Arroganz“ münden. Daher möchte ich den Hinweis an alle jungen Bewerber geben: Vorbereitung auf das Unternehmen und das Bewerbungsgespräch gehören dazu – das ist Wertschätzung gegenüber dem Unternehmen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Rembser!

www.info-home.org

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