Andrea Hoffmann betreut an der Gesamtschule Duisburg-Süd seit 25 Jahren den Bereich Berufsorientierung. Wir trafen sie zu einem Gespräch über Entwicklungen in der BO-Arbeit, über die gesellschaftliche Bedeutung ihrer Arbeit und über den Fachkräftemangel von heute. für Berufsbildung (BIBB) unterhalten.
Frau Hoffmann, macht es Sie stolz, wenn Sie auf Leute treffen, die ihren beruflichen Weg auch ein Stück weit Ihrer Arbeit zu verdanken haben?
Ich denke, es macht jede Lehrkraft froh, wenn Schüler:innen später einmal sagen, dass die Jahre an unserer Schule in sehr guter Erinnerung geblieben sind und in all ihren bunten Facetten wertvoll und prägend waren. Auf unseren Ehemaligen-Treffen bekräftigen viele unserer Schüler:innen, dass sie der Fachunterricht von Kolleg:innen, Projekte wie „Jugend forscht“ oder aus dem MINT-Bereich weitergebracht hätten. Aber auch die Mitarbeit im Schulgarten, Berufsfelderkundungen oder Praktika werden immer wieder genannt. Übrigens ist auch die Beratung durch die Klassenlehrer:innen, die unsere Schüler:innen zwischen 6 und 9 Jahren begleiten, hoch einzuschätzen.
Wenn Sie die Zeit Revue passieren lassen – was hat sich in der BO-Beratung stark verändert?
Der allgemeine Paradigmenwechsel in der Schule, also von der Ergebnisfestschreibung zur wohltuend individualisiert-ausdifferenzierten Prozessorientierung, bildet sich auch in der Berufsorientierung ab. Hier ist – aus meinem Alltag heraus betrachtet – in den letzten ca. zwölf Jahren viel Wertvolles auf den Weg gebracht worden – z.B. mit dem NRW-Landesprogramm KAoA. Diese Initiative lässt sich an der Schule gut und gewinnbringend für unsere Schüler:innen und deren Eltern umsetzen.
Auf was kommt es bei der BO-Aufgabe Ihrer Meinung nach ganz besonders an?
Wenn ich ehrlich sein darf – ich glaube primär an verlässliche, von großer Menschlichkeit geprägte Netzwerkarbeit. Externe Partnerschaften wachsen in Jahren und Jahrzehnten, dies sind die Säulen, mit deren Unterstützung es gelingen kann, gerade auch Veränderungen in der Berufsorientierung verlässlich und erfolgreich zu gestalten. Ich bin sehr froh und dankbar für diese Traditionsverbindungen und deren Verlässlichkeit, ohne die meine eigene Koordinationsarbeit schlicht unmöglich wäre! Effiziente Kollaboration, win-win setting, wie man das heute wohl nennt. Ich selbst würde eher von demütiger, dankbarer und menschlich herzerwärmender Zusammenarbeit sprechen mögen.
Dass an den Schulen das Thema Berufsorientierung im Laufe der Jahre eine immer stärkere Rolle zugewiesen bekam, wird in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen, obwohl der Fachkräftemangel jetzt dramatische Züge annimmt. Wie empfinden Sie das? Wird Ihre Arbeit ausreichend wertgeschätzt?
Ja, unbedingt! Die Bereitschaft, sich einzubringen, Kontakt aufzunehmen, etwas Großartiges auf die Beine zu stellen, war auf Seiten aller Beteiligten immer gegeben, hat aber in den letzten ca. fünf Jahren, nicht zuletzt angesichts der digitalen Möglichkeiten, für konstruktiven und frischen Wind in den Segeln gesorgt. Auch die Entwicklungs- und Koordinationsarbeit der entsprechenden Ministerien und Dezernate trägt dazu bei. All dies kann man nur von Herzen begrüßen.
Wenn man Sie um eine Liste mit Vorschlägen bitten würden, was man in der BO-Arbeit noch zusätzlich machen könnte – welche 3 Punkte stünden dann ganz oben?
Punkt 1: Alle Schüler:innen mit Inklusionsbedarf noch umfänglicher praktisch zu fordern und zu fördern, am besten mit Zertifizierungsmöglichkeiten. Der nächste Punkt: Möglichkeiten für Schülerbetriebspraktika im europäischen Ausland – wie z.B. „KAoA goes Britain“ – für ALLE Schüler: innen zu fördern und als festen Baustein im Rahmen von Programmen wie KAoA zu etablieren. Mein dritter Punkt: Allen Absolvent:innen die Möglichkeit eines freiwilligen handwerklichen Jahres zu eröffnen, um die Attraktivität dieses Bereichs, in dem der Fachkräftemangel so gravierend ist, erfahrbar zu machen.
Frau Hoffmann, danke für das Gespräch!