Die Beraterin und Autorin Ulrike Bentlage erläutert in diesem Beitrag, warum sich die Delphi-Methode besonders gut für die Berufsorientierung an der Schule eignet. Dabei kommen Ideen aus der Antike zum Einsatz, um die Zukunft der Post-Millenials zu gestalten.
Von Ulrike Bentlage
Das hier beschriebene Vorgehen gliedert sich – wie in der klassischen Delphi-Studie auch – in zwei Blöcke.
Phase 1: Wer bin ich? – Was kann ich? – Was brauch ich?
Der erste Block widmet sich komplett dem Thema Selbsterkundung. Mit der Delphi-Methode hole ich mir die unterschiedlichen Blickwinkel aus meinem Umfeld. Dazu braucht es Experten: Mama, Onkel, Mathe-Lehrer, bester Freund, Vereinstrainerin werden interviewt. Ziel ist: Ich lerne mich selbst nochmal genauer kennen. Durch Fragen schärfe ich mein Selbstbild und entdecke vielleicht auch neue Facetten. Jeder, der diesen Weg geht, lernt eine Menge: über sich selbst, über gute Fragen, über ehrliche Antworten. Das ist Teil eins des Delphi Projektes.
Phase 2: Erkundung ausgewählter Berufsfelder
In Teil zwei lautet das Thema: in welches berufliche Umfeld passe ich gut? Also: Berufserkundung. Für diese zweite Runde braucht es neue Experten. Eltern von Freunden, Bekannte von Verwandten oder auch Fremde über eine Online-Recherche. Ich spreche Menschen an, die aus meiner Sicht spannende Berufe haben. Ich gehe dann sehr gezielt in diese Felder rein und verschaffe mir ein differenziertes Bild. Wenn ich mir z. B. vorstelle: ich werde Mechatroniker. Was für ein Umfeld dann genau: Autos? Und wenn ja, Oldtimer oder „normale Autos“ oder Nutzfahrzeuge? Oder Mechatroniker im Bereich Klimatechnik? Wen kann ich dazu zum Beispiel auf Berufsmessen ansprechen? Oder ein Praktikum machen?
Eltern, Alumni, virtuelles Angebot
Vortragsabende, an denen Eltern ihre Berufe vorstellen, gibt es häufig. Zugleich lohnt es, hier nicht nur Eltern einzubinden, sondern auch Vertreter von Berufsbildern, die es in der Elterngeneration noch gar nicht gab: Social Media Manager, UX Designer, Data Scientist. Nach Corona-Homeschooling sind alle mit virtuellen Formaten vertraut – daher kann man gut auch beispielsweise ehemalige Schüler einbinden, die sich online für ein solches Angebot mit einem Beitrag zuschalten können. Je besser die Berufsbilder zur Interessenlage der Schüler passt, umso mehr haben alle davon.
Ein Rahmen für die gesamten StuBO-Aktivitäten an Schulen
Mit der Delphi-Methode lässt sich eine für Schüler erkennbare sinnvolle Klammer um alle StuBo-Termine bilden. Workshops und Feedbackrunden dienen zur Klärung des Selbstbildes. Und im zweiten Teil kann man aus dem Vollen schöpfen: Unternehmensbesuche gelten nicht mehr dem Check der Kantine, sondern werden interessant: interessieren mich eher die technischen Berufsfelder oder das Büro? Will ich lieber einen Bereich mit viel Außenkontakt kennenlernen oder wissen, wie die Buchhaltung funktioniert?
Besuche auf Berufsmessen sind kein Beutezug für Kugelschreiber und Taschen, sondern ich kann mich gezielt vorstellen: “Ich bin Friederike, sehr naturwissenschaftlich interessiert und möchte im internationalen Umfeld arbeiten. Ist eine Ausbildung bei Ihnen als Chemielaborantin der richtige Weg oder sollte ich eher über das duale Studium im kaufmännischen Bereich nachdenken?”. Wenn man den Delphi-Prozess in diesem Sinne zugrunde legt, kann man jedes Angebot einbetten und es dient der Frage: wie schärft sich mein berufliches Ziel?
Weitere Informationen
Literaturtipp: Schulabschluss geschafft! Und jetzt? Ein Ratgeber zur Studien- und Berufswahl. Göttingen: Hogrefe 2021. 148 Seiten. 16,95 Euro. Auch als e-book erhältlich.
Unsere Autorin: Ulrike Bentlage, geboren 1970 in Gütersloh, gründete 2014 die Karriereberatung MY CAREERMAP. Seitdem berät sie Abiturientinnen, Absolventen, Professionals und Unternehmen, wenn es darum geht, welche Laufbahn zu einem passt.