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Umfrage der Bertelsmann Stiftung zur BO
„Man wünscht sich jemanden, der einem hilft“

Die Bertelsmann Stiftung fragte insgesamt 1.729 Menschen zwischen 14 und 25 Jahren, wie gut sie sich beim Thema Berufswahl beraten fühlen oder fühlten. Zu den Ergebnissen und den Schlussfolgerungen daraus sprachen wir mit Projektleiter Clemens Wieland.

Herr Wieland, als Sie vor einiger Zeit die Ergebnisse Ihrer Befragung vorstellten, forderten Sie nicht mehr Informationen bei der Berufswahl, sondern vor allem mehr individuelle Begleitung auf dem Weg in den Beruf. Was meinten Sie damit konkret?

Über die Hälfte der jungen Menschen findet, dass es zur Berufswahl zwar genügend Informationen gibt, es aber schwerfällt, sich darin zurecht zu finden. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, denn das Angebot an Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten oder kombinierten Angeboten wie dem dualen Studium ist mittlerweile unüberschaubar groß. Da wünscht man sich als junger Mensch jemanden, der einem dabei hilft, sich in diesem Dschungel von Informationen zurechtzufinden. Mit anderen Worten: Was wir brauchen, sind nicht noch mehr Flyer und Info-Broschüren, sondern persönliche Ansprechpartner für die Jugendlichen. Das können Berufsberater der Agenturen für Arbeit sein, Lehrer, Mentoren, Coaches oder Übergangsbegleiter.

Ein Ergebnis der Umfrage war ja auch, dass sich die Schüler*innen an Gymnasien deutlich schlechter informiert fühlen als Schüler anderer Schulformen. Haben Sie inzwischen herausgefunden, was der Grund dafür sein könnte?

Nun, gerade mit Blick auf Ausbildung gibt es an Gymnasien immer noch zu wenig Informationen. Häufig wird einseitig nur in Richtung Studium informiert. Früher hat das auch gepasst, denn da galt: Wer Abitur macht, studiert auch später. Heute ist das anders. Immer häufiger machen auch junge Menschen mit Abitur eine Ausbildung – oder brechen ihr Studium ab und beginnen dann eine Ausbildung. Dieser Umweg könnte häufig vermieden werden durch eine ausgewogene Berufsorientierung, die Studium und Ausbildung in Gymnasien als gleichwertige Alternativen darstellt.

Sie fordern mehr außerbetriebliche Ausbildungsplätze, gerade auch für benachteiligte Jugendliche. Was versteht man darunter? Und welches Angebot sollte Ihrer Meinung nach konkret ausgebaut werden?

Jahr für Jahr landen rund 250.000 junge Menschen nach der Schule in Maßnahmen des sogenannten Übergangssektors, beginnen also keine Ausbildung, sondern werden nur auf die spätere Aufnahme einer Ausbildung vorbereitet. Wir haben Fachkräfte befragt, die mit diesen jungen Menschen unmittelbar zusammenarbeiten. Nach deren Einschätzung könnten über 26 Prozent dieser Jugendlichen sofort eine Ausbildung beginnen, wenn es einen passenden Ausbildungsplatz für sie gäbe. Mehr als einem weiteren Drittel trauen die Fachkräfte dies ebenfalls zu, sofern die Jugendlichen dabei professionell begleitet werden. Das muss man sich einmal vorstellen – da schlummert ein enormes Potenzial!
Nun haben wir zwar in Deutschland immer mehr unbesetzte Ausbildungsplätze, aber leider kommen Betriebe und junge Menschen auf dem Ausbildungsmarkt immer häufiger nicht zusammen. Das liegt zum Beispiel daran, dass die Schulnoten nicht passen oder die unbesetzten Ausbildungsplätze zu weit weg sind. So geht viel von diesem Potenzial verloren und dies ist einer der Gründe dafür, dass wir immer mehr Ungelernte haben in Deutschland – obwohl wir ja dringend Fachkräfte brauchen.

Wie könnte es besser laufen?

Besser wäre, wenn wirklich jeder junge Mensch eine Ausbildungschance bekäme – wenn es beim Betrieb nicht klappt, dann eben außerbetrieblich, das heißt bei einem Bildungsträger. Um genau das zu ermöglichen haben wir eigentlich seit letztem Jahr eine gesetzlich verankerte Ausbildungsgarantie. Leider hält die aber nicht, was der Name verspricht, weil diese außerbetrieblichen Ausbildungsplätze zum Beispiel nur in manchen Regionen verfügbar sind. Außerdem ist sie noch viel zu wenig bekannt. Ich hoffe sehr, dass da nachgebessert wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2024/juni/abiturientinnen-vermissen-am-haeufigsten-unterstuetzung-bei-der-berufsorientierung

www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/jugendliche-im-uebergangssektor-1

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