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Studieren nach der Lehre
„Es gibt positive Entwicklungen!“

Nach einer Ausbildung noch ein Studium aufzunehmen ist möglich – auch ohne Abi. Diese inzwischen erhöhte Durchlässigkeit im Bildungssystem ist ein Beitrag zu mehr Chancengleichheit, doch macht sie auch die Ausbildung an sich wertvoller und damit interessanter für diejenigen, die sich noch nicht festlegen möchten. Einen aktuellen Blick auf das Thema „Studieren ohne Abi“ werfen Sigrun Nickel und Anna-Lena Thiele vom CHE Centrum für Hochschulentwicklung.

Frau Nickel, Frau Thiele, vor zwei Jahren saßen wir schon einmal bei Ihnen zum Interview. Sie sprachen damals von einem Dickicht, mit dem Menschen mit Berufsausbildung zu kämpfen haben, die eine Zulassung zur Hochschule anstreben. Hat sich in den letzten zwei Jahren etwas verbessert?

Sigrun Nickel: Ja, es gibt positive Entwicklungen – insbesondere bei den Zugangsbedingungen für Studierende ohne (Fach-)Abitur. In Rheinland-Pfalz, Bremen, Hessen und Berlin wurde im Rahmen der Novellierung der jeweiligen Landeshochschulgesetze der Hochschulzugang noch weiter geöffnet. Ein Studium ist für beruflich Qualifizierte jetzt unter bestimmten Bedingungen auch ohne Berufserfahrung möglich. Weitere Fortschritte gibt es bei den Vorabquoten in zulassungsbeschränkten Studiengängen. Hier werden beruflich Qualifizierte inzwischen in allen Bundesländern berücksichtigt. Weiterhin ist mittlerweile in allen Bundesländern eine gegenseitige Studienzulassung für Nicht-Abiturient*innen möglich. Trotz der genannten Entwicklungen ist weiterhin eine stärkere Harmonisierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen erforderlich, da nach wie vor eine große Unübersichtlichkeit zwischen den 16 Bundesländern herrscht. Zur besseren Orientierung für Studieninteressierte gibt es deshalb auf unserem Online-Portal www.studieren-ohne-abitur.de Seiten mit Informationen pro Bundesland.

Auf Ihrer Seite studieren-ohne-abitur.de finde ich Erfahrungsberichte von Leuten, die es geschafft haben, einen Studienplatz zu bekommen. Wenn man sich das alles durchliest, gibt es viele Happy Ends, aber in fast allen Fällen auch Klippen und Überraschungen, wenn es um Zulassungsbeschränkungen oder Voraussetzungen für ein Studium geht. Wie lautet Ihr wichtigster Tipp, um diese zu umgehen?

Anna-Lena Thiele: Nicht aufgeben und im Vorfeld die bestehenden Informations- und Beratungsangebote nutzen. Für Studieninteressierte haben wir auf unserem Online-Portal einen Qualifizierungs-CHECK entwickelt. Hier können Interessierte gemäß der beruflichen Qualifikation prüfen, ob und unter welchen Bedingungen ein Studium ohne (Fach-)Abitur möglich ist und welche Voraussetzungen hierzu erfüllt sein müssen. Je nach Studiengang kann es aber auch noch Unterschiede bei den Zulassungsbeschränkungen geben. Hier lohnt unser CHECK Studienangebot. Dort können Informationen zu mehr als 9.000 Studienangeboten für Personen ohne (Fach-)Abitur und Fachhochschulreife direkt abgerufen werden. Auch empfiehlt es sich immer, dass man sich direkt bei der „Wunsch-Hochschule“ erkundigt. Die meisten Hochschulen haben detaillierte Informationen auf der Webseite und bieten telefonische und/oder persönliche Beratungsgespräche – auch speziell zum Studium ohne (Fach-)Abitur – an.

Wäre es nicht für viele Betriebe, die händeringend auf der Suche nach Azubis sind, ratsam, ihrerseits das Thema gründlich aufzubereiten? Wenn ich schon im Vorstellungsgespräch spannende Karriereoptionen aufzeige, mache ich meinen Betrieb doch direkt interessanter, oder?

Sigrun Nickel: Auf jeden Fall. Betriebe sollten die Botschaft vermitteln, dass die berufliche Bildung ein attraktiver Bildungsweg ist, der gleichzeitig vielfältige Karriere- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten bietet. Die Zahlen belegen, dass dieser Weg eine attraktive Option ist. Im letzten Jahr gab es rund 70.000 Studierende ohne (Fach-)Abitur an deutschen Hochschulen. Die Betriebe sollten diese Möglichkeit daher nicht als Konkurrenzangebot sehen, sondern als Chance. Um die Durchlässigkeit des Bildungssystems zu erhöhen, sollten Betriebe ihre Mitarbeiter*innen bereits im Vorstellungsgespräch über die Möglichkeit informieren und bei Interesse auch dabei unterstützen, diesen Weg zu gehen. Davon profitieren dann beide Seiten: Die Betriebe gewinnen motivierte Fachkräfte und die Mitarbeiter*innen erhalten entsprechende Entwicklungsmöglichkeiten.

Thema Studienfinanzierung. Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich bei der Finanzierung eines Studiums nach der Berufsausbildung finanziell helfen zu lassen. Welche sind aktuell die wichtigsten?

Anna-Lena Thiele: Beruflich Qualifizierte können zum einen BAföG beziehen, zum anderen gibt es verschiedene Stipendien, für die sich Studierende ohne allgemeine Hochschul- und Fachhochschulreife ebenfalls bewerben können. Dazu gehört zum Beispiel das Deutschlandstipendium. Dieses bietet begabten und leistungsstarken Studierenden aller Fachrichtungen eine monatliche Unterstützung von rund 300 Euro. Weiterhin können sich Personen ohne (Fach-)Abitur mit mindestens zwei Jahren Berufs- und Praxiserfahrung für das Aufstiegsstipendium des Bundes bewerben. Beispielsweise erhalten Studierende bei einem Vollzeitstudium monatlich 992 Euro plus 80 Euro Büchergeld. Zudem gibt es spezielle Stipendien, die sich ausschließlich an Studierende ohne (Fach-)Abitur richten. Dazu gehört das Karl-Goldschmidt-Stipendium und auch der jährlich mit 5.000 Euro dotierte Karl-Goldschmidt-Preis. Die Förderbedingungen und auch weitere Fördermöglichkeiten finden sich auf unserem Online-Portal unter Studienfinanzierung.

Vielen Dank Ihnen für das Gespräch!

https://studieren-ohne-abitur.de

© Foto: Sirko Junge

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