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Studie der Bertelsmann Stiftung zur beruflichen Orientierung
„In vielen Mangelberufen sind die Rahmenbedingungen oft nicht sehr attraktiv“

Die Bertelsmann Stiftung hat insgesamt 1.666 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 20 Jahren zu ihren Plänen und Erfahrungen im Berufswahlprozess befragt. Über einige Ergebnisse der Studie sprachen wir mit Claudia Burkard, sie ist Ausbildungsexpertin bei der Bertelsmann Stiftung und verantwortlich für die Befragung.

Frau Burkard, dass ein Mangel an Fachkräften die Wirtschaft belastet, war das letzte Mal in den 50er- und 60er-Jahre ein ähnlich großes Thema, damals warb man Arbeitskräfte aus mehreren Ländern an. Aktuell haben wir wieder das Problem, doch fehlt Personal in sehr vielen Bereichen. Daher verwundert es kaum, dass es immer häufiger Vorwürfe gibt, in der Berufsorientierung von Jugendlichen sei auch von staatlicher Seite einiges versäumt worden. Teilen Sie diese Ansicht?

Nur bedingt. In den letzten Jahren ist in Sachen Berufsorientierung an Schulen schon sehr viel auf den Weg gebracht worden. Wir sehen aber in der Befragung, dass viele Jugendliche sich von der Fülle der Informationen überfordert fühlen. Hier muss man ansetzen und bei Bedarf die jungen Menschen im Berufswahlprozess individuell unterstützen.

Die Bertelsmann Stiftung hat in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut iconkids & youth 1.666 Jugendliche zu ihrer beruflichen Orientierung befragt. Dabei kam bei mehreren Fragen zur Rolle der Schulen im BO-Prozess heraus, dass die Lehrer:innen als helfende Instanz offenbar einiges richtig machen.

Absolut. Lehrkräfte sind nach den Eltern für die Jugendlichen die wichtigsten Unterstützer:innen im Berufsorientierungsprozess. Das verwundert auch nicht, findet die berufliche Orientierung doch überwiegend in der Schule statt. Das Vertrauensverhältnis zwischen Schüler:innen und Lehrkräften ist eine gute Basis für den Beratungsprozess.

Noch ein weiteres Ergebnis fand ich bemerkenswert. „Eher gerne“ oder „sehr gerne“ beschäftigt sich laut Studie mehr als die Hälfte (56 %) der Jugendlichen mit dem Thema Berufsorientierung, nur 17% gaben an, es nicht gerne zu tun. Das hört sich doch sehr gut an, oder?

Auf den ersten Blick ist das in der Tat ein erfreuliches Ergebnis. Zeigt es doch, dass Jugendliche ihre berufliche Zukunft durchaus ernst nehmen und Interesse daran haben. Es fällt aber auf, dass sich von den Jugendlichen mit niedriger Schulbildung, also mit maximal Hauptschulabschluss, ein Viertel nicht gerne mit dem Thema beschäftigt. Diese Jugendlichen brauchen auch motivierende Unterstützung.

Die sozialen Medien landeten bei der Befragung ziemlich weit hinten. Sind die Jugendlichen also doch nicht so digital aufgestellt, wie immer behauptet wird?

Digitale Tools sind wichtig und bieten viele Möglichkeiten, Informationen interessant und ansprechend aufzubereiten. Berufsorientierung ist aber ein individueller Prozess, bei dem es neben Informationen über Berufe auch um deren Reflektion und Einordnung geht. Da ist das persönliche Gespräch unverzichtbar.

Was sagen Sie jetzt den vielen Kritikern, die als Ursache für den Fachkräftemangel Fehler in der Berufsorientierungsphase sehen? Der Vorwurf lautet ja im Grunde: Ihr müsst mehr dafür tun, dass die Jugendlichen eher in die Jobs gehen, in denen Mangel herrscht.

Davon halte ich gar nichts. Ein Beruf muss unbedingt auch zu den Fähigkeiten und Neigungen der jungen Menschen passen. Stellen Sie sich vor, Sie wollen KFZ-Mechatroniker:in werden und Ihnen wird eine Ausbildung in der Gastronomie nahegelegt, weil da gerade so viele Ausbildungsstellen unbesetzt sind. Das käme den meisten Menschen eher absurd vor. Richtig ist allerdings, dass das breite Spektrum der Ausbildungsberufe vielen Jugendlichen zu wenig bekannt ist und es auch abseits der „Traumberufe“ Alternativen gibt, die ebenfalls zu den eigenen Interessen passen.
Ein anderer Punkt ist, dass in vielen sogenannten Mangelberufen die Rahmenbedingungen und oft auch die Bezahlung einfach nicht sehr attraktiv sind. Hier müssen sich eben auch Arbeitgeber:innen und ganze Branchen bewegen.

Danke, Frau Burkard, für das Gespräch!

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