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Veränderungen in der dualen Ausbildung
„Vielen wird allmählich klar, dass ohne Handwerk alles nichts ist“

Gerade die Ausbildungen in den Handwerksberufen haben sich in den vergangenen Jahren verändert. Die Digitalisierung, die Corona-Krise, dann der Krieg in der Ukraine und schließlich die Energiewende – all das hinterließ vor allem im Handwerk Spuren. Wir sprachen darüber mit dem Präsidenten der Handwerkskammer Hamburg, Hjalmar Stemmann.

Herr Stemmann, im Sommer fassten Sie in einem Interview mit der “Welt” zusammen, in welchem Ausmaß neue Technologien rund um den Klimaschutz verschiedene Berufe im Handwerk verändert hätten. Als Beispiele nannten Sie Installateure, Maler und Elektroniker und fügten dann hinzu, dass sich die Aufzählung noch lange fortsetzen lasse. Haben diese Veränderungen in den Aufgaben des Handwerks auch die Ausbildungsinhalte verändert?

Ich möchte zunächst gern noch weitere typische Klimahandwerke ergänzen: Denken Sie nur an die Zimmerer, Dachdeckerinnen, Glaser, Tischlerinnen, Maurer, Mechatronikerinnen für Kältetechnik – und damit sind wir immer noch nicht am Ende der Aufzählung. Kurz: Das Handwerk ist per se unabdingbar für die Umsetzung der Klimawende, entsprechend passen sich die Ausbildungsinhalte kontinuierlich an neue Anforderungen an. In manchen Berufen sind sogar ganz neue Fachrichtungen und Betätigungsfelder dazu gekommen, der Elektroniker für Gebäudesystemintegration etwa, der z.B. Fotovoltaikanlagen und Smart-Home-Systeme installiert. Die Dachdeckerin, die Solaranlagen aufs Dach bringt und Dächer für die Begrünung vorbereitet. Der KfZ-Mechatroniker, der fürs Reparieren und Warten von E-Autos fit in Hochvolt-Technologien sein muss. Und so weiter. Das alles wird praktisch im Betrieb und in der sogenannten “überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung” vermittelt, also in ergänzenden Kursen in den Berufsbildungszentren des Handwerks. Die Berufsschule schließlich sorgt für die theoretische Ausbildung.

Eigentlich könnte das Handwerk mit diesen technologischen Veränderungen ganz gut werben, oder? Selten waren die Zeiten für Berufsanfänger so spannend wie heute.

Genauso ist es. Na klar werben wir mit unseren tollen Jobs und den glänzenden Perspektiven. Und wie! Sowohl bundesweit im Rahmen der großen Imagekampagne zur Nachwuchsgewinnung im Handwerk, als auch ganz speziell zum Beispiel bei uns in Hamburg, wo Auszubildende als Role Models auf Plakaten und City Lights werben, als Botschafter von ihrer Lehre erzählen oder auf Social Media und Berufsorientierungs-Veranstaltungen Einblick in ihren Ausbildungsalltag geben. Diese Authentizität kommt gut an.

Was beobachten Sie in Ihrem Kammerbezirk, was in Betrieben und Schulen passiert, um dem gefährlichen Fachkräftemangel im Handwerk entgegenzuwirken? Was funktioniert?

Was echt ist und glaubwürdig vermittelt wird, funktioniert. Deswegen sind ja auch Schülerpraktika und Praxisbezug im Unterricht so extrem wichtig. Toll für Hamburg wäre die Einführung eines freiwilligen Handwerksjahres. In Schleswig-Holstein funktioniert das prima. Außerdem wollen wir, dass alle allgemeinbildenden Schulen Werkstatträume und Küchen vorhalten, in denen dann auch Praxisaktionen mit Ausbildungsbetrieben stattfinden können. Sehr gut funktionieren bei uns die so genannten Praxisklassen als Angebot in der 10. Klasse in den Stadtteilschulen: Drei Tage in der Woche Schule, zwei im Betrieb, mit klarer Verknüpfung von Theorie und Praxis. Bayern erzielt übrigens sehr gute Erfolge bei der Azubi-Gewinnung mit einem Tag des Handwerks an allen, ich betone allen, allgemeinbildenden Schulen. Das wäre auch was für Hamburg.

Gerade im Energiebereich ändern sich die technologischen Standards alle paar Monate, aber auch die Politik sorgt immer wieder für neue Unsicherheiten. Sind diese Zeiten für Sie und die vielen Handwerksbetriebe in Deutschland auch eine Chance, mehr im Blickpunkt zu stehen und auch größere Umsätze zu machen?

Ja, wir nehmen eine erhöhte Aufmerksamkeit für das Handwerk in der Politik und in den Medien wahr. Bis die Sinnhaftigkeit und Zukunftsstärke von Handwerksberufen aber auch wirklich in allen Köpfen von Eltern und Lehrkräften angekommen ist, wird es wohl noch etwas dauern. Wir lassen bestimmt nicht locker, weiter vehement die reale Gleichwertigkeit einer beruflichen und akademischen Ausbildung einzufordern und für eine nachhaltige Anerkennung und Wertschätzung zu werben. Vielen Menschen wird erst seit wenigen Jahren allmählich klar, dass ohne Handwerk alles nichts ist. Diese Erkenntnis allein reicht aber nicht. Der Stellenwert einer dualen Ausbildung im Handwerk muss politisch und gesellschaftlich ganz weit oben festgeschrieben werden – dort, wo er früher einmal war und wo er hingehört. Natürlich schlägt ein gesteigertes Bewusstsein und ein besseres Image für qualitativ hochwertige Handwerksleistungen dann auf kurz oder lang auch positiv ins Kontor unserer Betriebe.

Vielen Dank für das Gespräch!

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