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Elternumfrage zur BO
“Über die Sorgen und Wünsche der Eltern wissen wir relativ wenig”

Die Körber-Stiftung unterstützt seit 1959 viele gesellschaftliche Themen und Projekte, auch in Wissenschaft, Bildung und Kultur. 2023 führte das Team Bildung zum ersten Mal Elternbefragungen durch, das nächste Befragungsprojekt steht in den Startlöchern. Wir befragten dazu Julia André, sie leitet den Bereich Bildung.

Frau André, wie kam es bei Ihnen im Haus zu der Idee, Eltern zur beruflichen Bildung ihrer Kinder zu befragen?

Wie viele andere kluge Menschen stellen auch wir im Bereich Bildung der Körber-Stiftung uns die Frage, wie Bildung zeitgemäß und zukunftsorientiert organisiert werden kann. Uns ist aufgefallen, dass in der Debatte über die Stärken und Schwächen unseres Bildungssystems und über notwendige Veränderungen die Stimme der Eltern nur selten auftaucht. Und das, obwohl wir wissen, wie groß der Einfluss von Eltern auf den Bildungsweg und auch die Berufsentscheidung ihrer Kinder ist. Dass der Bildungserfolg von Kindern maßgeblich von ihrem familiären Umfeld, den sozioökonomischen Verhältnissen und dem Bildungsstand der Eltern abhängt, wird gerade mit Blick auf das Thema Bildungsgerechtigkeit immer wieder ins Feld geführt. Aber immer nur als abstrakter Zusammenhang, als statistische Größe – über die konkreten Einstellungen, Perspektiven, Sorgen und Wünsche der Eltern, was die Bildung und berufliche Zukunft ihrer Kinder angeht, wissen wir relativ wenig. Das wollten wir ändern und haben deshalb im vergangenen Jahr erstmals eine bundesweite repräsentative Befragung von Eltern von Kindern zwischen 12 und 18 Jahren in Auftrag gegeben.

Die in Zusammenarbeit mit Forsa im letzten Jahr durchgeführte Umfrage beleuchtete mehrere Themen. Eine Frage war, wie Eltern die Schule als Vermittlerin von Kompetenzen für die berufliche Zukunft sehen. Drei Viertel der Befragten sagten “weniger gut” oder “gar nicht gut”. Was macht man als Stiftung jetzt mit einem solchen Stimmungstest?

Wir haben natürlich geahnt, dass es in der Elternschaft eine gewisse Unzufriedenheit gibt. Dass das Stimmungsbild so deutlich ausfällt – und übrigens in der diesjährigen Umfrage, in der wir die Frage erneut gestellt haben, mit annähernd identischen Werten bestätigt wurde –, hat uns dann aber doch überrascht. Uns geht es nicht um die Frage, ob die Eltern mit ihrer Einschätzung „recht“ haben oder nicht – natürlich sind sie nicht die besseren Pädagogen. Ihr Blickwinkel kann aber helfen, Schmerzpunkte im System zu identifizieren. Mit der Publikation zur Umfrage wollen wir die Aufmerksamkeit auf genau diese Fragestellungen lenken und eine Debatte eröffnen. Wenn Eltern Schule so wenig zutrauen, ihre Kinder auf Leben und Beruf vorzubereiten, kann man sich beispielsweise fragen, ob wir ein neues gemeinsamen Verständnis des schulischen Bildungsauftrags brauchen. Vielleicht erwarten Eltern mit Blick auf das, was ihre Kinder lernen und wie sie es lernen, heute schlicht etwas anderes als noch vor zehn oder 20 Jahren? Unsere Umfrage gibt ein paar Hinweise, was ihnen besonders wichtig ist und wo sie konkret Defizite sehen: Die Vermittlung von Basiskompetenzen in den Kernfächern Deutsch, Englisch und Mathematik steht ganz oben auf der Liste. Sie wünschen sich außerdem einen höheren Stellenwert von Informatik und sehen, dass ihre Kinder bislang nur unzureichend auf den Umgang mit digitalen Technologien vorbereitet werden. Und auch beim Thema Berufsorientierung ist aus Sicht der Eltern noch deutlich Luft nach oben. Noch mal: Wir machen uns die Antworten der Eltern nicht zu eigen und leiten daraus auch keine Forderungen ab – wir wollen vielmehr einen Diskussionsraum eröffnen, der die Perspektive von Müttern und Vätern bewusst einbezieht. Und fragen uns natürlich gleichzeitig auch, was wir daraus für die Arbeit in unseren operativen Projekten lernen können.

Eine Frage lautete damals ja, welchen Ausbildungsweg sich Eltern für ihr Kind wünschen. Dabei konnten diese auch die Antwort geben: “Es ist eine freie Entscheidung des Kindes”. Dafür entschieden sich aber nur sechs Prozent der Befragten. Irgendwie ein irritierendes Ergebnis.

Ja, könnte man meinen. Auf den zweiten Blick finde ich das Ergebnis allerdings nicht weiter verwunderlich. Denn wir haben die Eltern ganz explizit nach ihren Wünschen gefragt. Und als Mutter von drei Kindern kann ich mir kaum ein Elternteil vorstellen, das keine Wünsche für den weiteren Ausbildungsweg seiner Kinder hat – zumindest heimlich. Das heißt ja noch lange nicht, dass sie ihre Kinder nicht trotzdem frei entscheiden lassen, welche Richtung sie am Ende einschlagen. Was mich vielmehr beschäftigt, ist, wie sehr die Wünsche und Vorstellungen der Eltern nach wie vor von ihrem eigenen Bildungsweg, vor allem aber auch von Geschlechterstereotypen geprägt sind. Fragt man danach, in welchen Berufsfeldern sie ihre Kinder vorzugsweise sehen würden, unterscheiden sich die Antworten für Söhne und Töchter deutlich: Programmieren und Maschinenbau ist eher was Jungs; während Erziehungs-, Gesundheits- und Pflegeberufe oder auch Kunst und Kultur den Mädchen zugeschrieben werden. Dass Rollenklischees, gegen die wir gesellschaftlich und auch in der Berufsorientierung seit vielen Jahren kämpfen, weiter so dominant sind, ist schon frustrierend.

Sie haben angekündigt, weitere Elternbefragungen durchzuführen. Um was wird es in diesem Jahr gehen?

Ja, wir haben von Anfang an geplant, die Umfrage jährlich durchzuführen mit wechselnden Themenschwerpunkten. Im Juli 2024 ist gerade die zweite Ausgabe erschienen. Darin wollten wir wissen, wie Mütter und Väter die zunehmende Bedeutung von KI und deren Auswirkungen auf Bildung und Arbeitswelt einschätzen. Die Kurzfassung lautet: Eltern wissen, dass ihre Kinder für Ausbildung und Arbeitswelt Kompetenzen im Umgang mit KI brauchen werden. Was den Einsatz von KI in Schule angeht, überwiegt aktuell dennoch die Skepsis. Gleichzeitig gibt es ein Set von Fragen, die wir erneut gestellt haben und auch in den kommenden Jahren mitführen wollen. Zum Beispiel auch die Frage, wie gut oder schlecht Schule auf die berufliche Zukunft vorbereitet. Ich bin selbst schon gespannt, ob und wie sich die Antworten über die Zeit verändern und welche Trends wir daraus ablesen können.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau André!

https://koerber-stiftung.de/site/assets/files/32938/230721-korber-stiftung_eltern_im_fokus-web.pdf

Foto: © Claudia Höhne, Körber-Stiftung

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