Pflegestudium Hochschule Esslingen und Uni Tübingen
„Probiert euch aus!“
In der Pflege gibt es verschiedene Einsatzgebiete: Man kümmert sich in erster Linie um pflegebedürftige Menschen, doch daneben gibt es viel zu organisieren und zu managen. So verschieden die Aufgaben sind, so vielfältig ist das Studium. Wir sprachen mit Mo Oberreuter, sie studiert im dritten Semester an der Hochschule Esslingen und an der Uni Tübingen.
Mo, warum hast du dich für ein Pflegestudium entschieden und nicht für die Ausbildung?
Im Studium lernen wir zusätzlich zu allem, was man in der Ausbildung über die individuelle Pflege und die Pflegeplanung lernt, die Koordination dieses gesamten Prozesses im Auge zu behalten und die individuell am besten geeigneten Methoden zu finden. Dazu gehört auch die intensive Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen. Hochkomplexe Fälle, also Menschen mit schweren Krankheiten aber wenig Unterstützung aus ihrem sozialen Umfeld zum Beispiel, benötigen mehr individuelle Aufmerksamkeit, als ihnen im Pflegealltag oft zukommt. Und die Auswahl und Einführung von wissenschafts-basierten Leitlinien für alle Pflegenden ist auch unsere Aufgabe.
Du hast den Bachelor-Studiengang „Pflege – B.Sc. mit Berufszulassung“ gewählt, was bedeuten diese Zusätze?
Es gibt viele verschiedene Studiengänge mit dem Titel Pflege und viele davon sind darauf ausgelegt, dass sich Menschen bewerben, die schon ihre Ausbildung gemacht, ihr Staatsexamen bestanden und damit ihre Berufszulassung bekommen haben. Dieser Studiengang ist aber primärqualifizierend – Das heißt, wir lernen alles, was die Auszubildenden lernen und erhalten so unsere Berufszulassung und bekommen darüber hinaus auch noch eine wissenschaftliche Grundlage, sodass wir auch eine Bachelorarbeit schreiben und dafür einen akademischen Grad bekommen.
Du erhälst fürs Studieren Geld – wie kommt das und was bedeutet es für dich und deine Kommiliton*innen?
Zum 1.1.24 wurde das sogenannte Pflegestudiumstärkungsgesetz verabschiedet, was unter anderem auch festlegt, dass Pflegestudierende vergütet werden müssen. Das ist sehr praktisch für uns. Einerseits, weil wir ja eh in der Praxis arbeiten – warum sollten wir dafür nicht entlohnt werden? Und andererseits, weil es das Pflegestudium viel mehr Menschen zugänglich macht. Studieren generell ist teuer, und in einer Stadt wie Tübingen sowieso. In Tübingen verdienen wir übrigens so viel wie die Auszubildenden auch – es lohnt sich also!
Ist das Studium so, wie du dir das vorgestellt hast? Was macht dir besonderen Spaß im Studienalltag?
Ich bin sehr frei in das Studium reingegangen, mir war einfach wichtig, dass wir genug Zeit in der Praxis verbringen und gut angeleitet werden. In dieser Hinsicht erfüllt das Studium meine höchsten Erwartungen. Das Skills Lab ist vermutlich mein Highlight in der Woche, hier lernen wir in kleinen Gruppen unter Anleitung von Pflegefachkräften verschiedene Skills – von korrekter Körperpflege mit Beobachtung von verschieden eingeschränkten Pflegebedürftigen über Katheter legen und Verbandswechsel oder Medikamente richten bis Blut abnehmen und noch vieles mehr ist alles dabei – an einander wenn angebracht und sonst an Puppen. Mir persönlich macht auch die Methodik viel Spaß, das ist vor allem wissenschaftliches Arbeiten, was ich sehr wichtig finde, weil es immer und immer wieder auftaucht.
Durch die in das Studium eingebettete Praxis bist du hautnah dran am Geschehen – was war denn dein bisher eindrücklichstes Erlebnis in der Pflege?
Ich kann aus jedem einzelnen Einsatztag kommen und habe mindestens drei Geschichten, aber am eindrücklichsten ist mir eine Patientin, die ich auf einer Hämato-Onkologischen Station betreut habe. Ich habe sie kennengelernt, als sie gerade ihre erste Dosis Chemotherapie bekommen hat, und habe über die nächsten zwei Wochen mitbekommen, wie sie erst wahnsinnig abgebaut hat – teilweise hat sie nicht mal die Hand nach der Klingel an ihrem Bett ausstrecken können – und dann aber auch wieder so gut zurückgekommen ist. Ich war in dieser Phase der Besserung jeden Tag bei ihr zugeteilt und habe so direkt mitbekommen, wie sie allein wieder sitzen konnte, dann mit Unterstützung aufstehen und schließlich sogar ohne meine Hilfe wieder ein paar Schritte laufen konnte. Es läuft nicht immer so, aber wenn, dann ist das der stärkste Antrieb, den ich mir wünschen könnte.
Welche Perspektiven ergeben sich für dich, wenn du einmal einen Blick in die Zukunft wirfst? Wie sieht dein Weg nach dem Bachelor idealerweise aus?
Ich werde nach dem Bachelor vermutlich erstmal ein paar Jahre weiter Berufserfahrung sammeln und mich orientieren. Im Moment interessiert mich so viel! Ziemlich fest steht aber schon, dass ich irgendwie noch einen Master machen möchte, nur in welches Fachgebiet weiß ich noch nicht, einerseits, um mein Wissen zu vertiefen, und andererseits, um mehr forschen zu können. Da gibt es in der Pflegewissenschaft noch viel zu tun. Und eine Fortbildung für Praxisanleitung will ich auf jeden Fall machen.
Was würdest du jungen Menschen raten, die kurz vor dem Schulabschluss stehen? Wann bin ich die geeignete Person für ein Studium in der Pflege? Welche Eigenschaften sollte ich mitbringen?
Probiert euch aus. Wenn Pflege schon immer euer Traumjob war, toll! Aber ich hätte beim Abi nie gedacht, dass ich ein Jahr später Pflege studieren würde, da bin ich erst durch mein FSJ drauf gekommen. Praktische Erfahrung bringt mehr als jeder Satz, den ich hier schreiben könnte. Ein FSJ, BFD, Praktika… ganz egal. Speziell fürs Studium seid ihr geeignet, wenn ihr einen gewissen Grad an Interesse für wissenschaftliches und methodisches Arbeiten mitbringt. Wichtig ist aber auf jeden Fall, dass ihr eng am Menschen arbeiten wollt, körperlich und emotional (ums Po abwischen kommt man nicht rum, aber um existentielle Ängste auch nicht). Und dass ihr bereit seid, Menschen in ihren schwierigsten Momenten mit Respekt, Würde und Freundlichkeit zu begegnen, auch wenn die Menschen selbst dazu gerade nicht imstande sind. Das bekommt man aber eigentlich auch immer zurück.
Vielen Dank für das Gespräch!
https://www.hs-esslingen.de/pflege-bachelor-und-berufszulassung