1953 gründete im niedersächsischen Hildesheim eine Gruppe von Pädagog:innen und Unternehmensverantwortlichen einen Arbeitskreis, der sich fortan für mehr Wirtschaftsthemen im Schulunterricht einsetzen sollte. Aus dieser Initiative erwuchs im Laufe Zeit das Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT, das heute bundesweit für einen engeren Austausch zwischen Unternehmen und Schulen sorgt. Wir sprachen mit Miriam Reitz, sie ist Geschäftsführerin des Netzwerks seitens IW JUNIOR.
Frau Reitz, bundesweit gibt es fast 400 regionale Arbeitskreise, die im SCHULEWIRTSCHAFT-Netzwerk dafür sorgen möchten, dass zwischen Schulen und Unternehmen mehr Nähe entsteht. Was läuft trotz der vielen Bemühungen in 70 Jahren noch nicht ganz so rund?
Wir setzen uns für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft ein. Konkret heißt das: Wir bringen praxisnahe Projekte auf den Weg, die jungen Menschen Chancen aufzeigen. Denn wer kann schon nach der Schule sagen, was er wirklich werden möchte? Da ist es hilfreich, neben der Theorie in der Schule auch aus der Praxis etwas mitnehmen zu können. Zudem sollten wir nicht unterschätzen, wie ungleich Chancen verteilt sind. Kinder und Jugendliche, die aus Elternhäusern kommen, welche die besten Schulpraktika schon „familienintern“ vergeben können, haben ganz andere Möglichkeiten als junge Menschen, die nicht über ein solches Netzwerk verfügen. Hier hat sich in den vergangenen 70 Jahren noch zu wenig getan. Zudem macht es mit Blick auf den Fachkräftemangel Sinn, Jugendlichen aufzuzeigen, welche Möglichkeiten es in Branchen gibt, welche besonders händeringend suchen. Noch immer entscheiden sich viel weniger Frauen als Männer für MINT-Berufe, hier wollen wir stärker ansetzen.
Der Fachkräftemangel ist jetzt schon ein Riesen-Thema, aber die richtige Welle kommt erst auf uns zu, wenn die Baby-Boomer in Rente gehen. Macht es vor diesem Hintergrund überhaupt Sinn, mehr Schulabgänger:innen für die Wirtschaft zu gewinnen? Denn dann fehlen sie halt woanders, etwa in der Pflege oder in der Verwaltung.
Oh, da fassen Sie unseren Namen zu eng. Wir arbeiten, gemeinsam mit sehr engagierten Lehrkräften sowie Unternehmensverantwortlichen aus ganz unterschiedlichen Branchen zusammen – ob Handwerk, Pflege, Verwaltung oder die „klassische“ Wirtschaft. Schließlich wollen wir eine möglichst individuelle berufliche Orientierung schaffen. Denn es bringt keinem etwas, wenn sich ein junger Mensch für eine Ausbildung entschieden hat und kurz nach Abschluss merkt, dass der Beruf auf Dauer nichts für ihn ist.
Eine Forderung von SCHULEWIRTSCHAFT ist ja auch, die ökonomische Bildung in der Schule breiter und stärker aufzustellen. Würde das dem Standort Deutschland helfen?
Definitiv. Aber bitte praxisnah, und gemeinsam mit Expertinnen und Experten. Schülerfirmen sind ein gutes Beispiel. Schülerinnen und Schüler entwickeln eine eigene Idee, produzieren ihr Produkt und verkaufen dieses auf dem realen Markt – in einem geschützten Rahmen und begleitet von ihrer Lehrkraft. Dabei lernen sie ganz nebenbei wichtiges ökonomisches Wissen. On top gibt es Möglichkeit, sich von Wirtschaftsexpertinnen und -experten Hilfe zu holen und ein Mentoring zu machen. So wird Wirtschaft erlebbar.
Wenn die Initiative also mehr denn je gebraucht wird und auch immer größer wird – wie muss ich mir eigentlich den Austausch mit den vielen Initiativen vor Ort in den 16 Bundesländern vorstellen? Gibt es eine Koordination der Maßnahmen?
Wir bringen Schulen und Unternehmen partnerschaftlich zusammen und unterstützen den Aufbau nachhaltiger Kooperationen. Die Arbeit im Netzwerk lebt von einem breiten ehrenamtlichen Engagement und Austausch, das durch hauptamtliche Geschäftsstellen auf Landes- und Bundesebene unterstützt wird. Auf Bundesebene tragen wir zusammen mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände das Netzwerk, auf Landesebene Dachverbände und Bildungswerke der Arbeitgeber in Partnerschaft mit Ministerien.
Vielen Dank für das Gespräch!