Es gibt inzwischen viele Tools und Online-Angebote, mit denen Schüler: innen herausfinden können, ob bestimmte Berufe etwas für sie sind. Der Abgleich von Interessen und Fähigkeiten gehört dazu, wichtig sind natürlich auch Informationen zu Karrierewegen und Verdienstmöglichkeiten. Seltener sind Angebote, bei denen auch immaterielle Informationen geliefert werden, obwohl man inzwischen weiß, dass sie bei der Berufswahl immer wichtiger werden. Wir unterhielten uns mit Felix Busch, er arbeitete bis Frühjahr 2023 am Soziologischen Institut der Universität Zürich und ist seither in der Arbeitsmarktforschung im Privatsektor tätig.
Herr Dr. Busch, Sie haben 2017 das Online-Angebot ChoiceLab.de ins Leben gerufen, arbeiteten bis vor kurzem im Team des Stellenmarkt-Monitor Schweiz und sind jetzt weiterhin in der Arbeitsmarktforschung tätig. In diesen Projekten geht es darum, mehr Informationen zu angebotenen Stellen und Berufen zu erfassen und diese Interessenten zur Verfügung zu stellen. Habe ich das richtig zusammengefasst?
Genauso ist es. Ich glaube, dass der Arbeitsmarkt für viele sehr intransparent ist. Gerade junge Menschen müssen sich in einem wahnsinnig komplexen Dschungel von Berufen orientieren, was eine große Challenge sein kann. Ich versuche da zu helfen, in privaten Projekten wie ChoiceLab oder in meinem Beruf.
Welche Bedeutung haben immaterielle Faktoren bei der Berufswahl denn heute und in welche Richtung geht das Ihrer Meinung nach?
Früher ging es vor allem darum, dass man mit seinem Job genug Geld und viel Sicherheit bekam. Oftmals sind junge Menschen dem gefolgt, was die Eltern sich wünschten, oder haben direkt den Familienbetrieb übernommen. Es war also weniger ein „Wünsch Dir was“, wenn es um die Berufswahl ging. Heute haben viele Menschen mehr Freiheit bei der Zukunftsplanung und dabei werden immaterielle Werte immer wichtiger: Habe ich später genug Ausgleich, um meine mentale Gesundheit zu schützen? Wie sinnstiftend ist die Tätigkeit, der ich nachgehe? Welchen Impact hat mein Job auf die Umwelt? Der „Lockruf“ hoher Gehälter wird zwar nicht verschwinden, aber diese Fragen zu immateriellen Faktoren sind schon heute relevant und sind bei der Berufsorientierung für viele immer wichtiger.
Sie haben das ja auch mit Zahlen belegen können. Wenn das also so stimmt, was heißt das dann für das Ausbildungsmarketing? Müssen Stellenanzeigen anders formuliert werden als bisher?
Genau, es gibt einschlägige Studien, die zeigen, dass diese Faktoren immer wichtiger geworden sind über die letzten Jahrzehnte. Dies – aber auch der anhaltende Mangel an qualifizierten Fachkräften, den viele Unternehmen verspüren – sollte ein großer Anreiz sein, anders auf Stellensuchende und potenzielle Auszubildende zuzugehen. Viele Unternehmen haben das schon wahrgenommen und versuchen, sich etwas anzupassen. Wahr ist aber auch, dass in Stellenanzeigen oft noch mit recht abgedroschenen Floskeln geworben wird. Menschen merken schnell, wenn sie „bla bla-Zeilen“ lesen und das kann sehr schädlich für das Recruiting sein.
Aber sind die Bedürfnisse und Interessen von Jugendlichen nicht viel zu heterogen? Es besteht ja immer die Gefahr, dass man in der Ansprache die einen gewinnt, aber andere verliert, oder nicht?
Bei der Berufsorientierung würde ich tatsächlich dafür plädieren, den Jugendlichen die Tools und das Methodenwissen an die Hand zu geben, damit sie sich selbst informieren können. Es hilft nicht, wenn jemand vor ihnen steht und einen Daten-Atlas vorbetet. Damit kann sich jeder nach dem eigenen Geschmack informieren. In Stellenanzeigen sollten Unternehmen Mensch-orientiert und authentisch vorgehen. Dies ist viel zu wichtig, als dass dies auf die lange Bank geschoben werden kann.
Herr Dr. Busch, vielen Dank für das Gespräch!