Die Berufsberaterin und Autorin Uta Glaubitz schreibt regelmäßig für BO[plus] über Themen, die in der beruflichen Orientierung von zentraler Bedeutung sind. In dieser Ausgabe geht es um das Thema „Traumberuf“. Aber was ist das überhaupt – ein Traumberuf?
Von Uta Glaubitz
Ein Traumberuf unterscheidet den Menschen vom Tier. Während Elefanten viel essen und Nilpferde viel schlafen, hat nur der Mensch einen Beruf. Er baut Bibliotheken und Flugzeuge, versorgt die Tiere im Zoo oder entwickelt neue Medikamente und Impfstoffe. Ein Gorilla dagegen hat keinerlei Ambition, mehr zu tun als er zum unmittelbaren Überleben braucht.
Denn – ihm würde zu heiß. Der Mensch dagegen hat kein Fell und kann die Hitze besser abgeben. Das macht ihn leistungsfähiger und kreativer. Mit diesem Überschuss kann er Geld erwirtschaften, das er für Wohnung, Krankenversicherung und ein iPhone 15 braucht. Und mehr noch: Mit seinem großen Gehirn kann er sich Gedanken über die Zukunft machen. Zum Beispiel, wie er das persönliche Gelderwirtschaften gestalten will.
Diese Zukunftsgestaltung nennt man Berufswahl. Und hier kommt das Wort „Traumberuf“ ins Spiel. Der 1. Tipp lautet: Die Betonung im Wort Traumberuf liegt auf Beruf – nicht auf Traum. So setzt sich der Traumberuf ab von Hobby, Ehrenamt oder Lieblingsprojekt.
Aber was bedeutet die Silbe „Traum“? Ein Traumberuf ist ein Beruf, der ganz besonders gut zu einem passt. Daraus ergibt sich, dass ein Traumberuf etwas Individuelles ist. Für den einen kann Kapitän, Fußballreporter, Förster oder Konditor ein Traumberuf sein, für den anderen Feuerwehr, Geschichtslehrer, Bierbrauer oder Tierpfleger. Damit ein Beruf besonders gut passt, spielt die Entscheidung dafür eine zentrale Rolle. Man sollte also – und das ist der 2. Tipp – nicht auf Passiv schalten, die Sache dem Zufall überlassen oder so lange warten, bis es nur noch eine Notlösung gibt.
Doch kann jeder überhaupt frei entscheiden? Natürlich nicht. Zu manchen Berufen gehört ein spezielles Talent, zu anderen eine überdurchschnittliche Intelligenz oder körperliche Belastbarkeit. Das Gute aber ist: Es zwingt uns niemand zu irgendwas – vor allem nicht der Staat. Das kann in anderen Systemen ganz anders sein, in denen ein Bildungsministerium vorschreibt, wer Informatiker, Soldat oder Krankenschwester wird.
Ein Traumberuf ist ein Ziel: etwas, wofür man sich anstrengt und kämpft und Frust überwindet. Also ist „Ich studiere Kommunikationswissenschaften“ oder „Ich studiere Germanistik, weil ich mich für Sprache interessiere“ kein Traumberuf. Denn mit einem Studium allein hat man noch nicht viel erreicht. Außer vielleicht für ein paar Jahre intellektuelle Beschäftigung und ein Semesterticket zu haben. Aber diese Zeit wird enden, und ein Traumberuf ist viel mehr: Ein Ziel, zu dem das Studium (oder die Ausbildung – oder beides) führt. Merke: Eine Ausbildung oder ein Studium dauert 3 bis 5 Jahre, ein Beruf eher 30 bis 50.
So könnte Tipp Nummer 3 lauten: Nicht immer nur auf den nächsten kleinen Schritt schauen, wie zum Beispiel „Ich will mal ein Praktikum machen“ oder „Es ist gut, Fremdsprachen zu lernen“. Für den Traumberuf sind das alles nur Mittel zum Zweck. So kann „Französisch lernen“ für einen zukünftigen Botschafter unverzichtbar sein, für den zukünftigen Kameramann oder Torwart dagegen bringt es nichts. Hier hilft nur ein Praktikum beim Fernsehen beziehungsweise der Besuch eines Sportinternats.
Was ein junger Mensch darüber hinaus für seine Allgemeinbildung tut oder um seinen Horizont zu erweitern, ist auch löblich, aber eben keine Berufsplanung. Das heißt: Zusätzlich zu Allgemeinbildung und Horizonterweiterung braucht er noch einen beruflichen Plan. Und der heißt hoffentlich nicht Dr. Arbeitslos.
Zusammengefasst: Ein Traumberuf ist ein Beruf, mit dem wir unseren Lebensunterhalt erwirtschaften. Damit er besonders gut passt, sollte ein junger Mensch die Wahl ernst nehmen und selbst treffen. Er sollte die Entscheidung weder den Eltern noch irgendeiner staatlichen Stelle überlassen. Die Entscheidung sollte individuell sein, also nicht einer Mode, einer Volkshysterie oder dem Herdentrieb folgen. Damit wird die Entscheidung für einen Traumberuf zu dem, was sie sein sollte: ein Instrument der persönlichen Lebensgestaltung – vielleicht das stärkste. Es unterscheidet uns von Elefant, Nilpferd und Gorilla.
Uta Glaubitz ist Berufsberaterin und Autorin des Longsellers „Der Job, der zu mir passt“ (Campus) und des Hörbuchs „Berufsfindung und Philosophie“ (Spotify). Vor fast 30 Jahren fand sie ihren Traumberuf, den sie bis heute ausübt.
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