Starre Hierarchien, ein schlechter Umgangston oder fehlende Wertschätzung – es sind immer wieder die gleichen Punkte, die bei Befragungen als Gründe für einen Abbruch einer Ausbildung genannt werden. An diesen Stellschrauben könnten Unternehmen also drehen, um mehr Azubis zu finden und sie später auch zu halten. Aber funktioniert diese Logik? Wir fragten nach bei Ausbildungsexpertin Sabine Bleumortier, die seit vielen Jahren als selbständige Trainerin, Rednerin und Beraterin arbeitet.
Frau Bleumortier, im Jahr 2022 wurden 27 Prozent aller Ausbildungen vorzeitig abgebrochen, ein Drittel davon schon in der Probezeit. Auf der Suche nach Gründen für diese Quote, die inzwischen einen Höchststand erreicht hat, wird immer gesagt, dass es vor allem viele falsche Vorstellungen über einen Beruf seien, dass also auch die Berufsorientierung an der Schule besser werden müsse. Was sagen Sie dazu?
Realistische Vorstellungen über den Ausbildungsberuf sind tatsächlich ein sehr entscheidender Punkt, der Ausbildungsabbrüche reduzieren kann. Gerade bei den Kündigungen in der Probezeit es dies sicher ausschlaggebend, ob meine Erwartungen mit dem Ausbildungsalltag übereinstimmen. Natürlich können Schulen hierzu vermehrt mit den Betrieben zusammenarbeiten, Personen einladen, die aus ihrem Berufsleben erzählen – zum Beispiel Eltern – oder die vielen Videos nutzen, die es gibt, etwa auch über Virtual Reality-Brillen. Ansonsten sage ich hier immer „Praktika, Praktika, Praktika“. Und da sind auch die Unternehmen in der Pflicht, mehr Einblicke in die Berufe über Praktika zu ermöglichen und auf der anderen Seite Versprochenes auch einzuhalten.
Sie bieten ja unter anderem auch Vorträge und Coachings zum Thema Knigge für Ausbildende an. Wie oft werden Ihrer Einschätzung nach Ausbildungen nur deshalb abgebrochen, weil der Umgang mit den Azubis nicht gut ist?
Leider zu häufig. Und das muss gar nicht immer gleich der Ausbildungsabbruch sein. Das können auch Auszubildende sein, die unzufrieden und nicht mehr so motiviert sind. Eine Ausbildung muss heute auf Augenhöhe stattfinden und die Auszubildenden dürfen nicht von oben herab behandelt werden. Wir alle wünschen uns doch, wertschätzend als Mitarbeiter behandelt zu werden. Und die junge Generation akzeptiert hier den Befehlston, der früher teils üblich war, nicht mehr. Zurecht.
Auf der anderen Seite ist es ja beachtlich, was sich Unternehmen alles einfallen lassen und welche Mühe sich manche geben, um Azubis eine erfüllende Ausbildungszeit zu bieten. Führt das nach Ihren Beobachtungen dann im Regelfall auch dazu, dass die Abbrüche abnehmen und die Firmen so ihren Fachkräftemangel mildern können?
Definitiv. Ausbildungsbetriebe müssen heute dem Nachwuchs etwas bieten – eine gute Ausbildung mit Zusatzangeboten und Wertschätzung. Manche sind hier sehr einfallsreich und das zahlt sich bei der Azubibindung aus.
Müsste man Ihrer Meinung nach Schulabgänger:innen darauf vorbereiten, dass sie in der Ausbildung nicht immer nur nett behandelt werden? Was meinen Sie?
Leider werden wir nicht immer von jedem Menschen nett behandelt. So ist das Leben. Und meiner Erfahrung nach wissen das die Jugendlichen auch. Man sollte also nicht wegen jeder Kleinigkeit gleich aufgeben. Aber wenn ich ständig angeschrien und nicht ernst genommen werde, darf ich das ansprechen und um wertschätzenden Umgang bitten.
Sie machen den Job seit über 15 Jahren. Wie haben sich im Laufe der Zeit die Anfragen verändert? Welche Themen sind eher neu?
Das Generationenthema ist die letzten Jahre tatsächlich ein Dauerbrenner geworden. Und es ist ja erfreulich, wenn so viele Betriebe erkannt haben, dass sie hier etwas tun müssen, um gerade die ausbildenden Fachkräfte hierfür zu sensibilisieren. Die digitale Welt verändert sich inzwischen schnell und das merke ich auch bei den Anfragen. Es geht immer mehr um digitale Möglichkeiten in der betrieblichen Ausbildung, wie etwa das Ausbilden im Homeoffice, auch um gerade so die Attraktivität des Betriebs für die Auszubildenden zu steigern. Oft geht es auch um die Nutzung und Einbindung von künstlicher Intelligenz.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Bleumortier!