Sie sind angeblich teuer und bilden nur die Elite aus: Viele Lehrer:innen, Schüler:innen und Eltern haben Vorbehalte gegen Privatuniversitäten. Dass diese Vorurteile mit der Realität nicht immer übereinstimmen, zeigt das Beispiel der Universität Witten/Herdecke. Ein Beitrag von Greta Andreae.
Zugegeben: An Privatuniversitäten läuft vieles anders als an staatlichen Hochschulen. Das fängt schon bei den Kosten an. Während an staatlichen Hochschulen nur ein Semesterbeitrag fällig wird (in NRW sind das aktuell im Jahr durchschnittlich 534 Euro), fallen bei einer privaten Uni im Laufe der Studienzeit jedes Jahr mehrere tausend Euro an Gebühren an. Viele fragen sich daher: Warum sollte ich das machen? Meiner Meinung nach gleich aus mehreren Gründen, die sich durch meine Arbeit als studentische Hilfskraft in der Studienberatung und meinem Management-Studium an der Universität Witten Herdecke (UW/H) herauskristallisiert haben.
Es beginnt schon beim Bewerbungsprozess. In Witten zählen nicht nur schulische Leistungen, sondern vor allem ehrenamtliches Engagement, persönliche Eigenschaften und gute Ideen. Im Bewerbungsprozess geht es um die Persönlichkeit der Bewerbenden, man ist nicht nur eine Nummer. Das setzt sich, wenn man einmal angenommen wurde, im Studium dann so fort. Wir Studierenden lernen in familiärerer Atmosphäre und in kleinen Seminargruppen, diskutieren auf Augenhöhe mit den Professorinnen und Professoren und bestimmen sogar über den Lehrplan mit. Möglich macht dies die gute Betreuungsquote. Üblicherweise kommen an nordrhein-westfälischen Universitäten laut Statistischem Bundesamt auf eine:n Professor:in im Schnitt 89 Studierende. Die Betreuungsquote der UW/H liegt dagegen bei durchschnittlich 21 Studierenden pro Professor:in.
Für mich ist auch wichtig, dass der Lehrplan Raum bietet für Reflexion und Persönlichkeitsentwicklung. Ein Beispiel: Die UW/H bietet insgesamt fünf Bachelor- und Staatsexamen-Studiengänge in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Gesundheit an. Zu jedem dieser Studiengänge gehört jedoch auch das Studium fundamentale. Hier kommen Studierende aller Fachrichtungen zusammen, um sich künstlerisch zu betätigen, Forschungsmethoden kennenzulernen oder gesellschaftliche Fragestellungen zu diskutieren. Durch den interdisziplinären Austausch und Perspektivenwechsel gewinnen wir wichtige soziale und kommunikative Fähigkeiten, die im späteren Berufsleben von Vorteil sind.
Darüber hinaus setzt die Universität von Anfang an auf Lernen durch Erfahrung: Im Management-Studium erleben wir Studierenden u. a. in Projektseminaren, bei Unternehmensbesuchen, Workshops und Gastvorträgen von Unternehmen wie Dr. Oetker, Check24, Otto oder Vodafone, wie Wirtschaft in der Praxis funktioniert. Ein eigenes Gründerzentrum begleitet junge Unternehmer:innen, die sich während oder nach dem Studium selbstständig machen wollen. Und wer sich ehrenamtlich engagieren möchte, findet bei über 50 studentisch geführten Initiativen einen bunten Strauß an Möglichkeiten: „nouranour“ eröffnet berufliche Chancen für Frauen mit Migrationshintergrund, die „Pottkutsche“ bietet kostenlose Lastenräder an, und mit dem Unikat ist ein studentisch geführter Kultur- und Begegnungsraum in Witten entstanden.
Studieren in Witten ist keine Frage des Geldes
Jetzt aber zum leidigen Thema Geld. Vielleicht mag es überraschen, aber das spielt bei uns Studierenden kaum eine Rolle. Denn mit dem „Umgekehrten Generationenvertrag“ ist ein Studium in Witten unabhängig vom finanziellen und sozialen Hintergrund möglich. Allen Studierenden steht es frei, ihre Beiträge erst zu leisten, wenn sie Geld verdienen. Diese werden von einem studentisch geführten Verein prozentual nach Einkommen berechnet – und entfallen, wenn das Einkommen unter einer Mindestgrenze liegt. Die Idee stammt von Studierenden selbst, entstanden am Küchentisch einer WG.