Neue Studiengänge
„Für uns ist wichtig, dass jeder einzelne Studiengang tragfähig ist“
Fast drei Millionen Studierende gibt es aktuell in Deutschland, sie haben sich an 422 Hochschulen eingeschrieben, die insgesamt fast 22.000 Studiengänge anbieten. Das Angebot ist groß, entsprechend schwer fällt es, sich einen Überblick zu verschaffen. Dies gilt zum Glück nicht für den Akkreditierungsrat in Bonn, der hierzulande über die Akkreditierung neuer Studiengänge entscheidet und auch eine Datenbank über alle Studiengänge anbietet. Über die Arbeit des Rats, über Trends bei neuen Studiengängen und über mögliche Entwicklungen in der Zukunft sprachen wir mit Geschäftsführer Olaf Bartz.
Herr Dr. Bartz, wer entscheidet in Deutschland letztendlich, ob ein neuer Studiengang an den Start gehen kann?
Für die „Zulassung“ – wenn man dieses Wort in diesem Zusammen überhaupt so verwenden möchte – eines neuen Studiengangs ist strikt hochschulrechtlich nicht der Akkreditierungsrat verantwortlich, sondern je nach Bundesland die Hochschule oder das Land. Und die Akkreditierung ist, wieder je nach Land, eine Voraussetzung für den Studienstart oder kann später erfolgen. Sorry, die Hochschulwelt in Deutschland ist vielfältig und oft auch kompliziert!
In den letzten 20 Jahren stieg die Zahl der Studierenden um rund die Hälfte auf fast 3 Millionen an, das ist gewaltig. Doch noch kräftiger ging es bei den Studiengängen nach oben, ihre Zahl hat sich in der Zeit glatt verdoppelt. Wie passt das zusammen?
Mehrere Aspekte kommen zusammen. Erstens die Umstellung auf Bachelor/Master: Wo früher ein einziger Langstudiengang war, z.B. ein Diplom, finden sich jetzt oft zwei, ein Bachelor und ein Master. Zweitens eine Ausdifferenzierung in speziellere Studiengänge hinein. Drittens die Akademisierung, vor allem in Gesundheitsberufen.
Es gab ja immer wieder Kritik am Studienangebot, oft ist von einer Überspezialisierung die Rede. Zieht sich der Akkreditierungsrat diesen Schuh an oder lässt Sie das völlig kalt?
Wir haben keinen Auftrag, zu planen, was soll wo wie stattfinden und was nicht. Für uns ist wichtig, dass jeder einzelne Studiengang für sich genommen tragfähig ist, vom Lehrpersonal her und was die Wissenschaftlichkeit des Abschlusses betrifft. Und da stellen wir fest, dass die deutschen Hochschulen diese vielen Studiengänge in aller Regel sehr gut „bespielen“ können.
Der Akkreditierungsrat prüft, ob ein neuer Studiengang angeboten werden kann. In diesem Gremium sitzen Leute aus der Wissenschaft, aber auch Vertreter:innen der Länder, der Gewerkschaften und Arbeitgeber, aber auch Studierende. Ist nicht sehr viel Knowhow nötig, um einen komplizierten Studiengang prüfen zu können?
Ja, aber wir machen das nicht allein. Bevor der Studiengang, oder das hochschulweite Qualitätsmanagementsystem, zu uns kommt, hat eine Begutachtung vor Ort stattgefunden. Dies organisieren die derzeit elf Akkreditierungsagenturen, die teilweise schon seit dreißig Jahren tätig sind und ihr Geschäft verstehen. Die Agenturen stellen die Gutachtergremien zusammen, organisieren die Begehungen und verantworten den Akkreditierungsbericht, auf dessen Basis wir entscheiden.
Konnten Sie in Ihrer bisherigen Zeit beim Akkreditierungsrat Trends ausmachen, was neue Studiengänge betrifft? Wenn ja, wie lautet der aktuellste Trend?
Die neuen Studiengänge in den Gesundheitsberufen sind ein wesentlicher Trend in den letzten Jahren. Und im Ingenieurbereich tauchen verstärkt Begriffe wie „green“, „smart“ oder „nachhaltig“ auf.
Und dann noch ein Blick in die Glaskugel: Welche Fächer werden in den nächsten Jahren besonders beliebt werden?
Die Langzeittrends scheinen stabil: BWL liegt klar an der Spitze. Germanistik ist immer noch stark, aber doch zurückgegangen. Leider auch die Ingenieurfächer, Maschinenbau, Elektrotechnik etc. – wenn ich einen Wunsch frei hätte, wäre das eine Trendwende wieder hin zum Ingenieurstudium.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Bartz!