
Mein Standpunkt: Uta Glaubitz
Berufsfindung und KI

Kann Künstliche Intelligenz bei der Berufsfindung helfen? Berufsberaterin Uta Glaubitz hat es getestet.
Ich habe ChatGPT, Grok und Gemini befragt. Bereits die erste Antwort ist ernüchternd: „In einer Welt, in der Künstliche Intelligenz die Arbeitslandschaft rasant verändert, wird die Berufsfindung für junge Menschen sowohl spannender als auch herausfordernder denn je.“
Große Plattitüde, wenig Inhalt – und der ist auch noch falsch, denn früher war die Berufsfindung ebenso herausfordernd. Zumindest seit dem Mittelalter, als die Burschen aus der Landwirtschaft in die Stadt gingen. Vermutlich gibt es ein vorherrschendes Muster im Internet: „Wir leben in einer ganz besonderen Zeit, und sie wird immer besonderer“. Das spuckt ChatGPT dann zu allen mögliche Fragen aus.
Vielleicht muss ich es anders versuchen. Ich sage Grok, ich sei kommunikativ und frage, welcher Beruf dazu passt. Die Antwort: „PR, Marketing, Politik, Personalwesen, Lehrer“. Was eindimensional ist, denn ein Kinderarzt und ein U-Boot-Offizier müssen ebenfalls gut kommunizieren. Und was ist mit Diplomaten, Regisseuren, Bestattern und Friseuren? Müsste die richtige Antwort nicht lauten: „Kommunikation ist wichtig für die meisten Berufe. Wenn du gut kommunizieren kannst, ist das leider kein Hinweis darauf, ob du Pastor oder Gefängniswärter werden solltest“?
Natürlich kommt es darauf an, was man eingibt, und daraus entsteht das nächste Problem: Manche Promptschreiber sind eitel – und unehrlich noch dazu. Selbst der größte Egomane schreibt nicht: „Ich interessiere mich hauptsächlich für mich selbst“. Sondern er schreibt: „Ich interessiere mich für Wirtschaft, bin aber auch der soziale Typ“ oder „Mir sind Werte ganz wichtig und ich arbeite gern im Team“. Solche Deklarationen sind aber nicht Ergebnis einer Selbstreflexion, sondern drücken aus, wie der Kandidat sich darstellen möchte. Und die KI neigt dazu, alles zu glauben und empfiehlt prompt die Jobs Recruiter und Familientherapeut.
In Sachen Berufsfindung gibt ChatGPT schlechte Tipps. So empfiehlt der Chatbot, Freunde und Familie zu befragen. Dabei verschweigt er, dass Mütter oft ihren eigenen (ungelebten) Berufswunsch empfehlen. Die beste Freundin sagt häufig: „Du bist so nett, du solltest Sozialarbeiterin werden.“ Ein Partner möchte, dass man abends zu Hause ist. Ein Vater hat vielleicht einen Betrieb, den er vererben möchte. In vielen Fällen ist das, was Freunde und Familie sagen, eher das Problem als die Lösung.
Außerdem wäre es gut, wenn KI manche Leute warnt, zum Beispiel: Eine Frau interessiert sich für Mode, also empfiehlt Gemini, Modedesignerin zu werden. Aber vielleicht hat die Frau nicht das Selbstbewusstsein, die Ausstrahlung und die Power, ihren Weg als Modedesignerin zu gehen. Vielleicht wird sie am Ende nur Verkäuferin bei einer schwedischen Modekette. Oder sie studiert nochmal Soziale Arbeit. Dann aber hätte sie sich die teure Designschule sparen können.
Grok rät außerdem, einen Test zu machen. Aber gibt es valide Berufsfindungstests? Hat ein Professor jemals diese Tests überprüft und erforscht, ob die Ergebnisse sich nach 5 Jahren oder nach 10 Jahren bewährt und die Testpersonen einen guten Job haben?
Vielleicht sollte die KI eher darauf hinweisen, dass Berufstests zwar beliebt sind, aber niemals herausfinden können, ob jemand besser Geschichtslehrer oder Optiker, Bootsbauer oder Staatsanwalt werden soll. Man könnte genauso gut ein Horoskop befragen.
Ist die Künstliche Intelligenz am Ende nicht intelligent genug? Mir scheint, es steht einfach zu viel Schrott im Internet. Die KI saugt den Schrott auf, verbindet ihn mit der Eitelkeit des Prompts und präsentiert das dann als superintelligente Lösung. Wäre ich eine Künstliche Intelligenz, würde ich selbstkritisch analysieren: Garbage in, garbage out.
Uta Glaubitz ist Berufsberaterin und Autorin des Longsellers „Der Job, der zu mir passt“ (Campus) und des Hörbuchs „Berufsfindung und Philosophie“ (Spotify).
Homepage Uta Glaubitz: www.berufsfindung.de
Podcast: Berufsfindung & Philosophie
Buchtipp: „Der Job, der zu mir passt“