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DIHK-Umfrage: Fachkräftemangel trotz Konjunkturschwäche
„Die Wirtschaft muss sich darauf verlassen können, dass angehende Azubis das notwendige Rüstzeug mitbringen“

Im Mai 2025 befragte die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) knapp 15.000 Betriebe in Deutschland zu ihren aktuellen Ausbildungserfahrungen. Zu den Ergebnissen unterhielten wir uns mit wir Jana Heiberger, sie ist bei der DIHK Referatsleiterin Berufsorientierung, Berufsschule und MINT-Förderung.

Frau Heiberger, die DIHK-Umfrage im Mai hat gezeigt, dass die konjunkturelle Abschwächung nichts am Fachkräftemangel geändert hat, viele Ausbildungsstellen bleiben nach wie vor leer. Was hat die Umfrage noch an Ergebnissen zu Tage gebracht, die für Sie auffallend waren?

Neben fehlenden Bewerbungen sind vor allem Defizite in der Leistungsfähigkeit sowie dem Arbeits- und Sozialverhalten junger Menschen Ursache für Besetzungsschwierigkeiten. Auch wenn es viele tolle Azubis gibt, stellt mehr als die Hälfte der Betriebe eine fehlende Belastbarkeit fest. Es mangelt auch an Basiskenntnissen und Kompetenzen, die praktisch für jeden Ausbildungsberuf nötig sind: Zuverlässigkeit, Lernbereitschaft, Einsatzwille und Lesen, Schreiben, Rechnen. Wer das nicht mitbringt, hat es in der Ausbildung und dem Berufsleben schwer.

Eine große Mehrheit der befragten Betriebe fordert, dass die Berufsschulen gestärkt und besser ausgestattet werden und dass sie mehr anwendungsorientiertes Lernen anbieten. Haben Sie die Hoffnung, dass diesen Forderungen entsprochen wird?

Die Ausstattung der Berufsschulen muss dringend verbessert werden. Dazu zählen Schulgebäude – mit verlässlicher Technik und IT-Infrastruktur, moderne Lernmedien sowie ausreichend und gut qualifizierte Lehrkräfte. Um das anzugehen, haben Bundesregierung und Bundesländer den Pakt für berufliche Schulen ins Leben gerufen, leider ohne finanzielle Mittel. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag aber festgeschrieben, in die bessere Ausstattung von Lernorten und die Sanierung der berufsbildenden Schulen zu investieren. Berufsschulen müssen auch stärker in Förder- und Investitionsprogrammen wie dem Digitalpakt oder dem Startchancenprogramm berücksichtigt werden. Sie benötigen Investitionen, Innovationen und konkrete Maßnahmenpakete, die sie unterstützen, zukunftsfähig zu werden. Dazu brauchen sie mehr Gewicht in der politischen und öffentlichen Diskussion – daran arbeiten wir.

Viele Betriebe erhalten laut Ihrer Befragung aufgrund des demografischen Wandels überhaupt keine Bewerbungen. Viele sagten, dass viele Bewerber*innen ungeeignet für die Ausbildung seien. Könnte man an dieser Schwelle seitens der Unternehmen vielleicht selbst aktiv werden? Also den Bewerber*innen helfen, vor Start der Ausbildung „geeigneter“ zu werden?

Betriebe stellen sich immer stärker auf junge Menschen mit Startschwierigkeiten ein. Laut unserer letzten Ausbildungsumfrage nutzen inzwischen 80 Prozent der Betriebe Angebote, um Jugendliche mit Defiziten zu fördern und in Ausbildung zu bringen. Das können Nachhilfe oder Sprachunterricht für Azubis mit Zuwanderungsgeschichte sein sowie unterstützende Programme wie Assistierte Ausbildung und ehrenamtliche Begleitung durch Mentoren, um Ausbildungsabbrüche zu verhindern.

Im Koalitionsvertrag wurde eines festgehalten, was die Berufsorientierung betrifft. Bei welchen der geplanten Maßnahmen sehen Sie die größte Notwendigkeit, dass sie auch kommen und umgesetzt werden?

Der geplante Ausbau der frühen MINT-Bildung und die Unterstützung der Gründung von Schülerfirmen sind aus Sicht der IHK-Organisation gut und sinnvoll. Ebenso sind der Ausbau des Berufsorientierungsprogramms und die Verzahnung mit den bestehenden Maßnahmen der BA, Länder und Sozialpartner sowie der Abbau von Parallelstrukturen und im Übergangssystem richtige Ziele. Das Berufsorientierungsprogramm sollte frühzeitig und praxisorientiert in allen Schulformen über die Chancen der Beruflichen Bildung informieren. Die geplante Roadmap für einen strukturierten, digital- und datengestützten Berufsorientierungsprozess ist positiv zu bewerten, ebenso wie die Verankerung der Berufswahlkompetenz in den Schulen und die Stärkung der Berufswegeplanung mit Jugendberufsagenturen und Berufsschulen. Union und SPD wollen eine Pflicht für junge Menschen ohne berufliche Perspektive prüfen, sich bei der Berufsberatung zu melden und eine gesetzliche Grundlage zur systematischen und datenschutzkonformen Datennutzung durch die Jugendberufsagenturen schaffen. Das ist sinnvoll und kann dazu beitragen, mehr jungen Menschen ein passendes Ausbildungsangebot zu machen.

Wo stehen wir beim Thema MINT?

Für die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der deutschen Wirtschaft werden kluge Köpfe gebraucht – insbesondere in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT). Genau hier ist die Fachkräftelücke aber immer noch besonders groß. Viele Unternehmen und Industrie- und Handelskammern unterstützen daher Angebote, um mehr junge Menschen für MINT-Berufe zu begeistern, z.B. durch Role Models und Ausbildungsbotschafter in MINT-Berufen. Viele IHKs kooperieren als regionale Partner auch mit der Stiftung „Kinder forschen“, unterstützen Maker Spaces oder bieten Girls’Days an.

Im Zuge der wirtschaftlichen Abschwächung ist das Thema Fachkräftemangel etwas aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Ist das aus Ihrer Sicht gefährlich? Laufen wir auf eine Katastrophe am Arbeitsmarkt zu, wenn sich bei der Ausbildung nicht sofort einiges ändert?

Unsere Umfrageergebnisse zeigen, wie dringend der Handlungsbedarf ist. Unternehmen wollen ausbilden. Aber sie brauchen positive Impulse seitens der Politik, um das tun zu können. Die wirtschaftliche Lage, aber v. a. die Schulen müssen besser werden, damit die Wirtschaft im Anschluss die Fachkräfte ausbilden kann, die sie so dringend braucht. Um dem Ausbildungsmarkt wieder den nötigen Schwung zu geben, brauchen wir eine gute Wirtschafts- und Bildungspolitik. Die Wirtschaft muss sich darauf verlassen können, dass die angehenden Azubis das notwendige Rüstzeug mitbringen, wenn sie die allgemeinbildenden Schulen verlassen und in die Ausbildung starten.

Vielen Dank für das Gespräch!

dihk.de/de/themen-und-positionen/fachkraefte/aus-und-weiterbildung/ausbildung/ausbildungsumfrage-25

Diesen Text findet ihr auch online!
www.berufsorientierung-plus.de/2-25-DIHK

© Foto: DIHK / Paul Aidan Perry

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