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Chancen im Einzelhandel
“In kaum einer anderen Branche kann man so flexibel arbeiten”

Bis 2028 fehlen in Deutschland 768.000 Fachkräfte, das hat das Institut der deutschen Wirtschaft errechnet. Besonders hart wird es den Einzelhandel treffen, wo seit Jahren viele Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können. Das IW fordert die Betriebe in seiner Studie, Jugendlicher direkter anzusprechen und Werbung für den Einzelhandel zu machen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) sieht das Problem dagegen in den Schulen. Wir sprachen mit HDE-Geschäftsführer Steven Haarke.

Herr Haarke, das Institut der deutschen Wirtschaft fordert bei der Bewerbung der Ausbildung im Einzelhandel eine bessere Kommunikation, mehr digitale Formate und attraktivere Weiterbildungsangebote. Sie sagten einige Wochen später in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland jedoch, dass die Betriebe ihre Hausaufgaben gemacht hätten und dass die Branche „gutes Geld“ und tolle Perspektiven biete. Es müsse vielmehr schon in den Schulen vermittelt werden, wie groß die Chancen im Einzelhandel seien. Ist es nicht zu viel verlangt, wenn Branchen, die ja auch Wettbewerb zueinander stehen, von Schulen verlangen, sich mehr für sie einzusetzen?

Das klingt mir zu ambitionslos, da erwarte ich ehrlich gesagt etwas mehr sportlichen Ehrgeiz. Ich vermisse an den Schulen damals wie heute einen ganz klaren Fokus auf die so enorm wichtige Berufsorientierung. Eine Entscheidung, die das spätere Leben der jungen Menschen stark prägen wird. Das muss man sehr ernst nehmen und in den Schulen mehr Zeit dafür einräumen und Konzepte entwickeln, die die jungen Menschen abholen. Wir als HDE stellen mit unserer Branchenkampagne „karriere-handel.de“ alle Informationen zielgruppengerecht aufbereitet kostenlos auch für Lehrkräfte zur Verfügung. Man müsste den Ball nur aufnehmen. Es lohnt sich, dort mal reinzuschauen.

Junge Menschen schauen selbstverständlich auch auf die Aussichten beim Gehalt. Wenn man sich die Gehälter in den sogenannten Engpassberufen aber einmal anschaut, steht der Einzelhandel im Vergleich nicht gut dar. Der Median liegt im Bereich um die 2.700 Euro, die Umsätze dagegen sind in den letzten 15 Jahren aber kontinuierlich gestiegen. Wie passt das zusammen?

Das Gehalt ist wichtig, keine Frage. Allerdings wissen wir auch, dass es nicht der entscheidende Faktor für die Berufswahl ist. Oder wie wäre es ansonsten zu erklären, dass die beiden Kernberufe im Einzelhandel (Kaufleute im Einzelhandel und Verkäufer /Verkäuferin) alljährlich zu den beiden beliebtesten Ausbildungsberufen in Deutschland gehören? Das ist Fakt und macht uns alle hier sehr stolz. Zumal Sie auch völlig vergessen, dass die Menschen sich im Berufsleben weiterentwickeln. Insbesondere im Einzelhandel. 80 Prozent der Führungskräfte im Handel haben ihre Karriere mit Lehre begonnen, sogar manch ein CEO. In kaum einer anderen Branche kann man so flexibel arbeiten, so früh Führungsverantwortung übernehmen und hat so viel täglichen Austausch mit Kundinnen und Kunden. Die für mich relevanten Daten beim Gehalt sind zudem andere, das will ich klar sagen. Aktuell liegt das Durchschnittsbruttogehalt in Vollzeit im Einzelhandel bei mehr als 3.600 Euro im Monat. In den letzten zwei Jahren sind die Gehälter in der Branche um fast 14 Prozent angestiegen. Das ist im Branchenvergleich tatsächlich sehr ordentlich.

Wo genau liegt Ihrer Meinung nach das Versäumnis bei den Schulen?

Ich bin selbst stolzer Onkel zweier Teenager, die aktuell an diesem Punkt im Leben angekommen sind und nach ihrem Weg suchen. Mit Abitur denkt aber kaum jemand an eine Karriere im Einzelhandel, das finde ich schade. Nicht jeder ist für den akademischen Werdegang gemacht und das ist auch komplett in Ordnung. Die Karrierechancen sind dennoch außerordentlich gut, wenn man für sich selbst die richtige Wahl trifft. Die Schulen müssen das noch systematischer fördern. Die Karrierechancen gerade auch mit Abitur sind durch unsere speziellen Abiturientenprogramme im Einzelhandel sehr gut.

Können Sie sich noch an entscheidende Momente im Rahmen Ihrer beruflichen Orientierung in der Schulzeit erinnern?

Welche Berufsorientierung? Mein Vater riet mir dazu, eine Karriere als Ingenieur anzustreben. Dann habe ich Jura studiert, weil ich gut in Deutsch und Politik war, um dann in der ersten Univorlesung vom Professor zu erfahren, dass Mathe – neben Deutsch – die wichtigste Note für alle Rechtswissenschaftler sei. Für mich war das zum Glück okay.

Vielen Dank für das Gespräch!

www.einzelhandel.de

Artikel RND

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