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Digitalisierung an Hochschulen
„Wir müssen uns fragen, wie eine Lern- und Prüfungskultur aussehen kann, die Qualität betont und neue Tools einschließt“

An den Hochschulen sind Kreide und Tafel vielerorts noch genauso wichtig wie Aula und Mensa, doch in anderen Bereichen hat sich dank der Digitalisierung einiges getan. Was genau, erklärt uns Julius Friedrich, er ist beim Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) Projektleiter beim Hochschulforum Digitalisierung.

Herr Friedrich, Sie haben für eine Studie insgesamt 1.600 Hochschulangehörige interviewt, also Hochschulbeschäftige wie auch Studierende. Die Corona-Beschränkungen gab es da nicht mehr, die Hörsäle wurden wieder genutzt. Wenn Sie es zusammenfassen sollen: Wo stehen die deutschen Hochschulen aktuell, was die Digitalisierung betrifft?

Während der Corona-Beschränkungen befanden sich nahezu alle Hochschulen im Notfallmodus und boten hauptsächlich Online-Lehre an. Seit dem Ende der Corona-Maßnahmen finden die meisten Veranstaltungen tatsächlich wieder in Präsenz an deutschen Hochschulen statt, was zu erwarten war. Es ist erfreulich festzustellen, dass nahezu alle Hochschulen sich mittlerweile strategisch mit der Digitalisierung von Studium und Lehre auseinandersetzen. Unsere Befragung verdeutlicht, dass deutsche Hochschulen in den letzten Jahren Fortschritte erzielt haben, um digitale Lehrformate zu ermöglichen und zu unterstützen. Dennoch befinden wir uns noch am Anfang dieser Entwicklung. Um weitere Fortschritte zu erzielen, müssen die entwickelten Strategien nun in die Praxis umgesetzt und im Hochschulalltag angewendet werden.

Gab es etwas, was Sie an den Umfrageergebnissen wirklich überrascht hat?

Es zeigt sich: Präsenzlehre ist heute beileibe nicht gleichzusetzen mit Kreide und Tafel und mit einer Lehre, die ohne Digitalisierung auskommt. Ich bin überrascht darüber, wie weit verbreitet die synchrone hybride Lehre ist, bei der Studierende von zuhause aus zugeschaltet werden, und wie wenig Blended Learning, also etwa die Kombination von Präsenzunterricht und E-Learning, tatsächlich genutzt wird. Angesichts der Tatsache, dass Blended Learning auch vor der Pandemiezeit bereits als vielversprechende Kombination aus Online- und Präsenzphasen galt, finde ich das besonders erstaunlich.

Wie ist der aktuelle Stand an den Hochschulen rund um ChatGPT?

ChatGPT ist das erstes KI-Tool in der Hochschullandschaft, das eine derart enorme Aufmerksamkeit erregt. Es löst bei den Erstkontakten sowohl Verängstigung als auch Faszination aus. Die Hochschulen reagieren unterschiedlich auf dieses Tool. Manche verbieten den Einsatz, andere erlauben ihn teilweise wieder. Andere erlauben den Einsatz grundsätzlich. Es steht fest, dass KI-Tools nicht mehr verschwinden werden. Die Hochschulen sollten daher neue Wege finden, um mit KI-Tools wie ChatGPT umzugehen und sie sogar als Ausgangspunkt für Überlegungen nutzen, wie sie ein besseres Hochschulstudium ermöglichen können. Es ist jetzt wichtig, den Studierenden die Möglichkeit zu geben, einen kritisch-produktiven Umgang mit KI-Tools zu erlernen. Lehrende und Studierende müssen sich mit dieser Technik auseinandersetzen, da sie auch in vielen Berufen und im Alltag eine Rolle spielen werden.

Wie schätzen Sie die Entwicklungen ein, die an Hochschulen vielleicht demnächst noch kommen könnten? Was würde aus Ihrer Sicht Sinn machen an digitaler Technik?

Bei der Betrachtung neuer Möglichkeiten wie beispielsweise KI-Tools sollten weniger technologiegetriebene Überlegungen im Vordergrund stehen. Vielmehr müssen wir uns fragen, wie eine Lern- und Prüfungskultur aussehen kann, die Qualität betont, zukunftsorientierte Kompetenzen fördert und diese neuen Tools einschließt. Eine solche Kultur geht über reine Wissensabfrage hinaus und legt den Fokus auf Lern- und Prüfszenarien, die das Anwenden, praktisches Tun, Kreativität und kritisches Denken fördern – also den Erwerb von sogenannten Zukunftskompetenzen vorantreiben.

Vielen Dank, Herr Friedrich, für das Gespräch!

https://www.che.de/digitalisierung/

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