Im Oktober 2018 fiel der Startschuss für die Entwicklung einer bundesweiten berufswahlapp. Im Sommer endete die einjährige Testphase, jetzt soll die App an Deutschlands Schulen zum Einsatz kommen. Wir fragten nach bei Anja Esser, sie leitet im Ministerium für Schule und Bildung in NRW das Referat Berufliche Orientierung, Übergang Schule – Beruf. Das Ministerium war zusammen mit dem Arbeitsministerium NRW federführend bei der Entwicklung tätig.
Frau Esser, die berufswahlapp hat fünf Jahre Konzeptions- und Entwicklungszeit hinter sich. Nach einem einjährigen Testlauf, an dem insgesamt rund 89.000 Schüler: innen teilnahmen, können die Schulen in Deutschland seit dem neuen Schuljahr auf die neue berufswahlapp zugreifen. Wie zufrieden sind Sie mit der App nach Jahren der Entwicklung?
Ich bin begeistert – mir gefällt die App wirklich sehr gut. Da ich den Entwicklungsprozess von Beginn an begleiten und miterleben durfte, ist es beeindruckend zu sehen, wie die Ideen und Anforderungen aufgegriffen und technisch umgesetzt wurden. Die berufswahlapp ist der zentrale „digitale Ort“ für Schülerinnen und Schüler während ihrer gesamten Beruflichen Orientierung: Hier können sie ihre Erfahrungen aus Praktika festhalten, Fotos speichern oder gezielte Informationen rund um die Berufswahl abrufen. Zusätzlich erhalten sie Belohnungen in Form von Punkten und digitalen Auszeichnungen durch Gamification Elemente, was die Motivation der Schülerinnen und Schüler zur Beschäftigung mit ihrer Beruflichen Orientierung weiter, hoffentlich, steigert.
Warum hat sich die Einführung verzögert?
Mit der Einführung der berufswahlapp betreten wir absolutes Neuland. Zum allerersten Mal haben wir in der Beruflichen Orientierung ein digitales Produkt länderübergreifend entwickelt und zudem wissenschaftlich begleitet. Ein solch wegweisender Entwicklungsprozess erfordert eine angemessene Zeit. Die Einführung hat sich um ein halbes Jahr verschoben, was den Schulen, die nun einmal gerne in ganzen Schuljahren planen, sehr entgegenkam. Die digitale Anwendung wurde daher zum Schuljahr 2022/23 in die Pilotphase eingeführt.
Was können Sie uns zur einjährigen Testphase sagen, die im August zu Ende ging? Wenn 150 Schulen an einem Test teilnahmen, muss es ja eine ganze Menge Feedback gegeben haben, den die Lehrer:innen wiederum vorher bei den Schüler: innen einholen mussten. Das hört sich nach einer gewaltigen Aufgabe an, hat das alles so geklappt, wie Sie sich das vorgestellt haben?
Die Einführung einer brandneuen digitalen Anwendung in Schulen im Rahmen einer Pilotphase stellt für alle Beteiligten eine Herausforderung dar. Wir haben von den Schulen bereits viele positive Rückmeldungen erhalten, aber auch Fragen und konstruktive Verbesserungsvorschläge. Dieses Feedback ist von enormer Bedeutung für die Weiterentwicklung der “berufswahlapp”. Aus diesem Grund haben wir spezielle Strukturen eingerichtet, um diese Anmerkungen effektiv zu verarbeiten.
Was heißt das konkret?
Wir haben die Position des Landeskoordinators im Schulministerium geschaffen, um u.a. diese Aufgabe zu übernehmen. Darüber hinaus gibt es regionale Koordinatorinnen und Koordinatoren, die als sogenannte “bwapp-Rekos” fungieren. Sie unterstützen nicht nur die Schulen bei der Implementierung der “berufswahlapp”, sondern nehmen auch an Arbeitskreisen teil, die im Rahmen der Beruflichen Orientierung stattfinden. Auf diese Weise erhalten wir neben der Möglichkeit der Kontaktaufnahme per E-Mail und regelmäßigen Dienstbesprechungen zahlreiche wertvolle Rückmeldungen, die für die kontinuierliche Weiterentwicklung unverzichtbar sind.
Zwei Ministerien in Nordrhein-Westfalen haben das Pilotprojekt gesteuert, wie eng war in dieser Phase der Austausch mit den anderen Bundesländern?
Es waren sehr intensive und konstruktive Konsortialtreffen, die mehrmals im Jahr, teilweise sogar zweitägig, stattfanden. Es gab weiterhin zwei Arbeitsgruppen: „Technik und Datenschutz“ sowie „Inhalt und Gestaltung“, um möglichst früh auch die Experten aus den Ländern einzubeziehen. Beschlüsse wurden konsensual getroffen. Es war eine sehr bereichernde, aber auch zeitintensive Entwicklungsphase, obwohl die operative Arbeit durch die Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH (G.I.B.) (in der Projektsteuerung) übernommen wurde.
Als die Projektphase dann endete, gab es doch bestimmt viel Gesprächsbedarf und dann noch zahlreiche Vorschläge, die in der neuen App noch umgesetzt wurden, oder nicht?
Ja, es gab eine Menge Abstimmungsbedarf. Welche Länder führen die App fort, steigen neuen Länder ein, wie hoch sind die zu erwartenden Betreiber- bzw. Hostingkosten, welche Weiterentwicklungen wollen wir angehen, welche sind technisch notwendig, welche pädagogisch erforderlich, um nur einige Punkte zu nennen.
Vielen Dank, Frau Esser, für das Gespräch!